cash: Wenn man vom Elektroautohersteller Tesla spricht, kommt man um den Namen des Gründers und CEO Elon Musk nicht herum. Wäre Tesla ohne Musk überhaupt vorstellbar gewesen?

Ferdinand Dudenhöffer: Nein. Musk ist ein Innovator par excellence. Ohne ihn würden wir nicht über Elektroautos reden, wir wären irgendwo bei den Hybrid-Fahrzeugen stehen geblieben. Er hat die Autobranche umgekrempelt und ist der grösste Erfinder und Beschleuniger der Automobilindustrie seit der Erfindung des Verbrennungsmotors.

In einem Interview mit der 'New York Times' beschrieb Elon Musk jüngst, wie sehr ihn die Bemühungen, die hoch gesteckten Produktionsziele für das neue Model 3 zu erreichen, persönlich belasten würden. Mutet er sich zu viel zu?

Musk ist ein schlechter Unternehmer. Er ist zu fordernd, will alles gleichzeitig machen und konzentriert sich nicht auf sein Hauptgeschäft. Damit stösst er an Grenzen. Er spricht von einem E-Lastwagen-Projekt, kauft seinem Schwager ein verlustreiches Sonnenkollektoren-Geschäft ab, beginnt Solar-Dachziegel zu produzieren, will ein Untergrund-Hochgeschwindigkeitstransportsystem durch Amerika bauen und plant mit  seinem Unternehmen SpaceX auch noch, den Mars zu kolonialisieren.  

Was ist der Ausweg aus dieser Situation, benötigt Tesla einen anderen CEO?

Ich denke Musks Aufgaben müssen sich künftig vermehrt auf das Kreative, auf das Schaffen von Neuem, beschränken. Der Schaden, den er anrichtet, ist ansonsten grösser als der daraus resultierende Nutzen. Zuletzt hat er auch noch Pläne vorgeschlagen, die nicht mehr nachvollziehbar sind. Mit Tweets den Börsenausstieg ankündigen: ein No-Go für den klassischen Unternehmer.

Lässt es die Persönlichkeit von Musk überhaupt zu, dass jemand anders bei Tesla das Sagen hätte?

Nein. Der Verwaltungsrat müsste die Kompetenzen umverteilen. Dann könnte Musk entscheiden, ob er so weitermachen will oder nicht. Ich würde nicht ausschliessen, dass er bei einer zu starken Kompetenz-Einschränkung keine Lust mehr hätte.

Aber Musk hat angeblich bereits selber nach einer Stellvertretung gesucht. Facebook-Vize Sheryl Sandberg soll seine Anfrage vor zwei Jahren abgelehnt haben. Sucht er ernsthaft nach einem neuen CEO?

Wäre es ein klassischer Verwaltungsrat gewesen, wie man ihn etwa aus der üblichen Automobilindustrie kennt, würde man sagen, es ist ernst gemeint und gut durchdacht. Musk reagiert aber häufig sehr emotional. In einem ersten Moment meint er etwas sehr ernst. Wenn er ein paar Nächte darüber schläft, kann er es aber plötzlich wieder anders sehen. Es könnte also auch einfach eine Verrücktheit gewesen sein.

In der Schweiz sind die Tesla-Verkaufszahlen noch immer sehr bescheiden: 2018 wurden bis Ende Juli gerade Mal 504 Autos vom Model S und 314 vom Model X verkauft. Das sind 20 beziehungsweise 40 Prozent weniger als zum gleichen Zeitpunkt im Vorjahr.

Bei jedem Modell bekommt man am Anfang einen Peak, wo alle das neue Auto haben wollen. Solche Zyklen sind normal und müssen mit einer geschickten Modell-Neueinführungs-Strategie überbrückt werden. Mit der Lancierung des neuen Model 3 wurde das theoretisch zwar auch so geplant, nur klappt es halt in der Praxis nicht.

Die Hoffnungen liegen auf eben diesem Model 3, welches für das mittlere Preissegment konzipiert wurde und einen Verkaufspreis von 35‘000 Dollar aufweist. Wird dies der grosse Durchbruch bedeuten?

Es gab detaillierte Analysen von Ingenieurunternehmen, welche die Herstellungskosten des Model 3 auf 28‘000 Dollar schätzten. Wenn diese Rechnung einigermassen stimmt, die Produktion stabilisiert werden kann und man Musk einen Kollegen auf die Seite stellt, der ihn ruhig hält, dann könnte dies tatsächlich der grosse Durchbruch bedeuten. Klappt es mit dem Model 3 aber nicht, dann könnte das Geldverbrennen bei Tesla zur Neverending-Story werden.

Es könnte für Tesla aufgehen, muss aber nicht. Wie gross sehen Sie die Chance, dass das Model 3 auch tatsächlich zum Kassenschlager werden wird?

In den letzten Monaten ist diese Wahrscheinlichkeit deutlich geschrumpft, ich sehe sie derzeit bei noch ungefähr 20 bis 30 Prozent. Das spürt man auch an der psychischen Verfassung von Elon Musk. Sein jüngstes Zeitungsinterview in der 'New York Times' ist ein deutliches Zeichen dafür, dass er die Erfolgschancen zumindest nicht wachsen gesehen hat.

Das klingt eher pessimistisch. Würden Sie denn als Anleger jetzt Tesla-Aktien kaufen?

Nein, würde ich nicht.

Wann wird man beurteilen können, ob sich der Erfolg einstellen wird?

Tesla braucht einen klaren operativen Gewinn im zweiten Halbjahr 2018 und eine Stabilisierung der Produktion beim Model 3.

Ferdinand Dudenhöffer (67) ist einer der renommiertesten Autoexperten Deutschlands und wird häufig 'Autopapst' genannt. Er leitet als Professor der Uni Duisburg-Essen den Lehrstuhl Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Automobilwirtschaft und ist Gründer sowie Direktor des Forschungszentrums CAR (Center Automotive Research).