Der Euro legte in den vergangenen Tagen zum Franken kräftig zu. Am Dienstag wurde erstmals seit Aufhebung des Mindestkurses durch die Schweizerische Nationalbank im Januar die Marke von 1,09 Franken überboten.

"Anleger beginnen zu realisieren, dass es doch keinen Grexit gibt", sagt Christoph Schenk, Anlagechef bei der Zürcher Kantonalbank (ZKB), im cash-Börsen-Talk. Man wisse zwar nicht, wann die Griechenland-Krise wieder komme, aber derzeit sei sie vom Tisch.

Die europäische Wirtschaft erhole sich eigentlich schon seit längerem, "was ein bisschen vergessen wurde wegen der Griechenland-Problematik", meint Schenk. Diese europäische Erholung würde helfen, den Euro zu stärken und gleichzeitig den Franken zu schwächen. Und auch der Dollar erstarkt in Anbetracht der baldigen Zinswende, was einer Frankenabschwächung natürlich ebenfalls entgegen kommt.

«Aufatmen wäre noch zu früh»

Doch deswegen scheint das Thema "starker Franken" noch nicht gegessen zu sein. "Man kann noch nicht aufatmen", sagt Schenk, "aber man kann Freude haben, dass es in die richtige Richtung geht." Der Euro-Franken-Kurs müsse sich für eine nachhaltige Erholung der Schweizer Wirtschaft um 1,10 oder darüber festsetzen.

"Wir sind jetzt auf dem Niveau, wo wir es in etwa durchhalten könnten", urteilt Schenk. Eine Parität zum Euro werde man nicht mehr sehen, aber auch nicht einen schnellen Kursanstieg auf 1,20.

Gleichzeitig zum Euro-Franken-Kurs um 1,10 seien die Schweizer Firmen auch auf eine wirtschaftliche Erholung Europas angewiesen. Zwei Kriterien, die derzeit beide erfüllt sind. "Die aktuelle Kombination ist eigentlich positiv für uns", meint denn auch Schenk.

Versicherer nicht anfassen

Aufgrund der bisherigen Halbjahreszahlen ergibt sich in der Schweizer Wirtschaft ein uneinheitliches Bild. Schenk gefielen die Zahlen von UBS, Julius Bär, Lonza und EMS, während die Credit Suisse, SGS und Sulzer enttäuschten.

Am meisten vom sich abschwächenden Franken würden aber derzeit Firmen profitieren, wo ein grosser Teil der Kosten in der Schweiz anfällt. Schenk spricht hier allen voran die Exporteure Richemont und Swatch an. Jedoch würden diese Firmen wiederum stark vom chinesischen Markt abhängen, wo es derzeit aber bezüglich Wachstum auch viele Fragezeichen gäbe.

Nicht unbedingt anfassen würde Schenk derzeit die Versicherer-Titel. Zurich, mit der relativ teuren Akquisition des britischen Konkurrenten RSA und ihrer Kostenstruktur sei derzeit eher ein Fragezeichen. Auch bei Nestlé sei Vorsicht angebracht, hier lohne sich noch ein Abwarten der Zahlen. Ein sicherer Halt sieht der ZKB-Experte hingegen in den Dauerbrennern Novartis und Roche. Ebenfalls positiv sieht er die Entwicklungen bei Lindt & Sprüngli sowie Emmi.

Wo der SMI Ende Jahr stehen wird

Schenk erklärt sich die derzeitige Stagnation des Swiss Market Index (SMI) um die 9500-Punkte-Marke damit, dass man ein bisschen Angst vor dem "All-Time-High" habe. Dieses datiert aus dem Jahr 2007 und liegt bei 9548 Punkten (intraday). Fundamental-Ökonomisch sehe es in der Schweizer Aktienwelt gar nicht so schlecht aus. Wir würden dieses Jahr zwar keinen 10-prozentigen Anstieg mehr sehen, aber "der SMI hat bis Ende Jahr noch Potential von zwei bis drei Prozent und 'that's it'", sagt Schenk. 9600 Punkte lägen noch drin.

Mit der unmittelbar bevorstehenden Zinswende in den USA steht gleichzeitig auch eine geldpolitische Wende an. Fast ein ganzes Jahrzehnt mit fallenden Zinsen geht zu Ende. Für Schenk ist diese Richtungsänderung ein gutes Signal. Die Fed betreibe nun "erzieherische Sofortmassnahmen, damit wir auch lernen, dass es auch aufwärts gehen kann". Die US-Wirtschaft sei gut unterwegs und die Fed lege sich mit dem Anstieg Munition in die Taschen, damit der Markt bei einem allfälligen Abschwung wieder stimuliert werden könne.


Im Börsen-Talk mit cash sagt Christoph Schenk ausserdem, ob uns von Seiten Chinas nun ein Währungskrieg droht und was der baldige Zinsanstieg in den USA für die Schwellenländer bedeutet.