Am Montagmorgen kurz vor 7 Uhr am Busbahnhof in Zürich. Da steht es, das giftgrüne Fahrzeug des Billigbusanbieters Meinfernbus.de. Seit rund drei Wochen bietet das junge deutsche Unternehmen dreimal täglich eine Verbindung von Zürich in die deutsche Finanzmetropole Frankfurt an. Dort muss ich an diesem Montag hin – und nehme probehalber den Bus statt wie üblich den Zug.

Sechseinhalb Stunden benötigt der Bus nach Frankfurt, mit Stopps in Lörrach, Freiburg, Rust (Europapark), Heidelberg und Darmstadt. Das sind satte zweieinhalb Stunden mehr als im Zug. Das Billet für den Low-Cost-Fernbus ist aber wesentlich billiger als das Zug-Sparticket (86 Franken) oder das Flugzeug (oft nur über 1000 Franken retour).

Bezahlt habe ich für die Strecke Zürich-Frankfurt läppische 13,87 Euro. Bei der Internet-Buchung zog ich vom Originalpreis von 18 Euro gleich auch den Fünf-Franken-Gutschein ab, den Meinfernbus-Kolporteure vor ein paar Wochen grosszügig in Zürich verteilt hatten.

Bei der Buchung kamen mir schon ein paar Zweifel auf. So lange Sitzen ohne grosse Bewegungsfreiheit? Doch die Erinnerung an meine alten Rucksacktouristen-Jahre beruhigten mich gleich wieder. War da in den 90er Jahren nicht mal der 56-Stunden-Ritt im Zweitklass-Bus von Fortaleza nach Rio de Janeiro?  Problemlos überstanden.

Ich zähle 13 Mitreisende an diesem Morgen und merke: Der Billigbus zieht vor allem Jüngere an. Sie sind zwischen 20 und 35 Jahre alt, fast alle deutscher Nationalität. Als Geschäftsreisender bin ich hier die Ausnahme. Der etwas mürrische Chauffeur fragt beim Einstieg nach meinem Namen und checkt denselben auf seinem Tablet. Die Billigflieger-Regeln gelten auch hier: Wer früh bucht, bezahlt weniger. Und wer zuerst einsteigt, kann sich die besten Plätze aussuchen – oder gibt es solche in einem Bus überhaupt?

Schon bald dösen alle

Um 6:58 Uhr, also zwei Minuten zu früh, fährt der Bus ab. Luxus kann man hier drin in der Tat nicht erwarten. Bei den Sitzen und den Sitzabständen hat man offenbar die minimale Normalvariante gewählt. Aber okay: Die Leute wollen von Z nach F. Und das möglichst billig.

Der Chauffeur weist noch am Sihlquai per Mikrofon auf die Anschnallpflicht in Fernbussen hin (keiner folgt der Aufforderung) und bittet um das Bereithalten von Ausweispapieren, denn an der Grenze oder in Lörrach erfolge "garantiert" eine Kontrolle (die dann ausbleibt). Bei der Stadtgrenze auf der Autobahn Richtung Basel dösen schon fast alle Businsassen.

7:40 Uhr: Stau nach einem Unfall bei Kaiseraugst, etwa 25 Minuten Stop-and-Go-Traffic. Schon jetzt?

8:20 Uhr: Ankunft in Lörrach bei Basel, zwei zusteigende Passagiere. Wir haben nur 10 Minuten Verspätung. Und ein paar Kilometer nach der Abfahrt zeigt sich, dass Multi-Tasking beim Buslenken seine Tücken hat. Der Chauffeur erwischt während einer Mikrofon-Ansage die falsche Autobahnausfahrt - und kommentiert das Missgeschick live mit einem lautstarken "Mann, bin ich bescheuert?"

8:30 Uhr: Ich lese ein paar Unterlagen, dann Magazine und Hefte. Schwierig und ungemütlich wirds mit grossformatigen Zeitungen. Lektüre-Feeling wie im Flieger. Ich wechsle alsbald auf das Tablet und probiere das grosse Asset dieses Billigbuses aus: Der Gratis-WLAN-Zugang auf der gesamten Strecke. Das Einloggen ist relativ rasch erledigt, die Verbindung ganz passabel. Besser jedenfalls als in den SBB-Zügen.

Das kühne Vorhaben

9:20 Uhr: Die erste grosse Passagier-Rotation in Freiburg, wo wir unseren Rückstand bereits aufgeholt haben. Die Anzahl der Reisenden bleibt unter 15 Personen. Gleich nebenan steht die Konkurrenz von Deinbus.de. Der Konkurrenzkampf im deutschen Fernreise-Busmarkt ist voll entbrannt. Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts wird der Fernverkehr 2013 in Deutschland liberalisiert. Dieser war bislang für Distanzen über 50 Kilometer der Deutschen Bahn vorbehalten. Nun stossen immer mehr Bus-Unternehmen hinzu. Auch in Freiburg bleibt mein Nebensitz frei. Das wird bis Frankfurt so bleiben.

9:35 Uhr: Es kommt, was kommen muss. Die Blase drückt. Der Toilettengang in Reisebussen ist ja nicht jederfraus und vor allem nicht jedermanns Sache. Hier werden sogar die grössten Machos zu Sitzpinklern. So viel sei hier festgehalten: Der WC-Gang verlief ohne grössere Zwischenfälle.

9:45 Uhr: Die Haltestelle Rust/Europa-Park wird mangels zu- oder aussteigenden Passagieren ausgelassen. Angehalten wird kurz darauf trotzdem. Ein junger Mann braucht dringend einen Arzt. Wir warten an einer Raststätte etwa 15 Minuten auf die Ambulanz. Weiter gehts auf die Autobahn. Die Ambulanz überholt uns kurz darauf mit Blaulicht.

11:50 Uhr: Auch beim Halt in Heidelberg bleibt grosses Passagieraufkommen aus. Ich will etwas schreiben und hole den etwas angejährten Laptop hervor. Mein kühnes Vorhaben, ihn auf den klappbaren Tisch zu platzieren und loszutippen, scheitert kläglich. Zu klein und zu weit oben ist das Tischchen. Ich nehme den Laptop auf die Beine und wechsle dann aufs iPad. Klappt einigermassen.

Weiterhin bleibts äusserst ruhig im Bus. Keine herumlaufenden Leute, keine non-stop-Ansagen, kein Handy-Gebrülle. Die meisten schlafen sowieso, die junge Frau hinter mir strickt. Dann und wann telefoniert jemand kurz. Nur wenige arbeiten am Computer.

Vorsintflutartig anmutende Wechselkurse

12:50 Uhr, Darmstadt Hauptbahnhof. Ich wundere mich, dass wir bereits kurz vor dem Ziel sind. Die Zeit verging im Nu.

13:00 Uhr: Ich habe Hunger und greife zur Bordverpflegungskarte. Erdnüsse, Gummibärchen, Bifi Roll und ein 37-Gramm Wasa-Knäckebrot-Sandwich zu je 1 Euro. Na ja. Auch die vorsintflutartig anmutenden Wechselkurse sind nicht gerade appetitlich. 1 Euro ist hier noch 1,50 Franken wert. Bier, Prosecco und beliebig nachfüllbarer Kaffee für 1,50 Euro sind ebenfalls im Angebot. Ich machs wie fast alle anderen und verzehre mein mitgebrachtes Sandwich.

13:20 Uhr: Wir treffen zehn Minuten zu früh in Frankfurt ein. Eine angenehme, fast schon unheimlich ruhige Fahrt. Ich konnte viel aufgeschobenen Bürokram erledigen und auch sonst einige Pendenzen abtragen. Von Frankfurt könnte ich mit dem Bus 15 weitere deutsche Städte anpeilen.

Fazit: Der Billigbus ist durchaus eine valable Option. Für kostenbewusste selbständig Erwerbende oder für Berufstätige, die gleichentags keine fixen Termine haben oder in Frankfurt eine Messe besuchen wollen. Dennoch werde ich weiterhin den Zug nach Frankfurt nehmen. Zu stauanfällig ist mir der Billigbus. Zudem ist den Passagieren wohl nicht immer derart viel Ellbogen- und Lärmfreiheit gegönnt auf dieser Fahrt. Weiterhin keine Option für mich ist der Flieger. Zu teuer, zu viel Flughafenschikanen, zu viel Ein- und Aussteigen - dies bei fast gleicher Reisedauer wie bei der Bahn. Wo sonst kriegt man heute noch vier (Bahn) oder sechseinhalb Stunden (Bus) relative Ruhe zum Arbeiten.