Es ist eine im Alltag wohl kaum bewusst wahrgenommene Änderung, doch unter Devisenmarktexperten schürte die zweite Nachkommastelle des Euro-Franken-Wechselkurses zuletzt Spekulationen, die Schweizerische Nationalbank (SNB) könnte bereit sein, einen stärkeren Franken zu akzeptieren.

Während der Euro als wichtigste Schweizer Exportwährung in den vergangenen 14 Monaten 1,08 Franken oder mehr kostete, fiel er vor etwa einer Woche auf rund 1,07 Franken - wenige Tage nach der überraschenden Wahl von Donald Trump zum neuen US-Präsidenten. Am späteren Mittwochnachmittag kostete der Euro 1,0710 Franken. Experten schliessen daraus, dass die Währungshüter ihre Interventionen zur Schwächung der Landeswährung tendenziell zurückfahren.

Denn die Nationalbank liess die Aufwertung nicht nur zu, sondern bereitete die Anleger darauf vor, dass sie künftig wohl mit einem volatileren Wechselkurs rechnen müssen: "Zwar tragen wir im Rahmen der Erfüllung des Auftrags unseren Teil zum Markt bei, doch bleibt der Preisfindungsmechanismus letztlich den Kräften von Angebot und Nachfrage überlassen", sagte der stellvertretende SNB-Direktor Dewet Moser.

Weniger Stützungskäufe der Notenbank?

Bei Devisenanalysten sorgt diese Aussage für Verwunderung. "Ich finde den Satz bemerkenswert", sagt Commerzbank-Expertin Esther Reichelt. Sie interpretiert Mosers Worte als Bestätigung für die jüngst sparsameren Markteingriffe der SNB. "Wir sehen, dass die SNB die Interventionen zurückfährt", sagt sie. Die Credit-Suisse-Analysten erwarten, dass die SNB auch im kommenden Jahr weniger aktiv am Devisenmarkt auftritt, als 2016. "Das impliziert, dass die Zentralbank einen etwas stärkeren Franken zulassen dürfte", erklären sie in einer Studie. Investoren und Unternehmen müssten sich darauf einstellen.

Der Umfang der Eingriffe lässt sich ablesen an der Entwicklung der Sichtguthaben von Banken bei der Zentralbank. Wenn sie steigen, deutet das auf Stützungskäufe der Notenbank hin. In den vergangenen Wochen dürfte die SNB angesichts der geringen Zuwächse nur wenig interveniert haben - bis auf eine Ausnahme: Nach den US-Wahlen legten die Einlagen von Bund und Banken in einer Woche um rund 4,8 Milliarden Franken zu - das ist der höchste Zuwachs seit dem Brexit-Referendum.

Rückenwind erhält die SNB für einen solchen sanften Kurswechsel nach Einschätzung der Credit Suisse durch die Erholung der Schweizer Wirtschaft: Sie dürfte im laufenden Jahr um 1,5 Prozent wachsen. Im Vorjahr hatte die schockartige Franken-Aufwertung die Exporte gebremst und das Wachstum auf 0,8 Prozent gedrückt. Zudem dürfte der SNB nach Einschätzung der Experten mit ihrer wachsenden Bilanz zunehmend unwohl sein. Allein seit Ende 2014 haben die Interventionen die Bilanz der Notenbank um mehr als 150 Milliarden auf zuletzt gut 720 Milliarden Franken ausgeweitet.

Die EZB bestimmt mit

Aus der Hand geben dürfte die SNB die Zügel am Devisenmarkt aber nicht. "Ich denke kaum, dass die SNB in dieser Situation auf ein bevorstehendes Ende der Franken-Interventionen hindeuten würde", sagt UBS-Analyst Alessandro Bee. Auch die SNB selbst betont stets, die Stützungskäufe seien zentraler Teil ihrer Geldpolitik. Neben dem Wechselkurs zum Euro hält sie auch jenen zum Dollar im Blick. Dort hatte sich der Franken angesichts der Dollar-Rally nach den US-Wahlen abgeschwächt. Ihre nächste geldpolitischen Lagebeurteilung hält die SNB am 15. Dezember.

Die Richtung der künftigen Geldpolitik in der Schweiz dürfte weiterhin auch die Europäische Zentralbank (EZB) mitbestimmen. Auch sie steuert laut EZB-Direktor Yves Mersch langsam auf eine Abkehr von ihrer ultra-lockeren Politik zu, mit der sie den Euro geschwächt hatte - noch sei das aber leicht verfrüht. "Wir sind wahrscheinlich nicht mehr weit von dem Zeitpunkt entfernt, an dem wir eine solche Aussage machen können", sagte Mersch. Dann kann auch die SNB aufatmen.

(Reuters)