Anleihekaufprogramme sollen die Inflation in Gang bringen, was aber im Euroraum bisher nicht funktionieren will. Und auch über die Wirkung der Negativzinsen wird gestritten. Kein Zweifel: Die geldpolitischen Instrumente der Zentralbanken bringen Wirtschaft und Märkte bislang nicht ausreichend in Schwung.

Angesichts der Ratlosigkeit darüber, wie die Wirtschaft stimuliert werden kann, erstaunt es nicht, dass auch radikalere Ansätze diskutiert werden. Ein solcher ist das Helikoptergeld. Gemäss diesem - zumindest in theoretischen Kreisen schon oft diskutierten Ansatz - soll die Notenbank Geld frisch ab der Presse direkt an die Bürger verteilen.

In der Theorie gut, aber in der Praxis?

"Es ist kein direktes Finanzieren von Staatshaushalten, und der Multiplikatoreffekt ist sehr hoch", streicht Michael Krautzberger, Head of European Fixed Income bei Blackrock, im cash-Interview die Vorteile von Helikoptergeld heraus. Denn wenn man Geld direkt den Haushalten gäbe, würde ein überdurchschnittlich grosser Teil davon auch wirklich konsumiert werden.

Doch so toll die Theorie auch klingen mag, sieht Krautzberger auch die praktischen Probleme. Zum einen müsste die Frage der genauen Umsetzung geklärt werden. Andererseits sei auch unklar, welche Erwartungen man bei der Bevölkerung dadurch auslösen würde. "Die Leute erwarten dann vielleicht, Geld auf regelmässiger Basis zu bekommen."

Nichtsdestotrotz sieht Krautzberger einen Kandidaten, bei dem er sich die Umsetzung dieses doch sehr abenteuerlich klingenden Vorschlags vorstellen könnte: Japan. Falls das Land mit den momentanen Instrumenten keine Fortschritte erziele, "möchte ich Helikoptergeld mit Sicht auf die nächste Dekade nicht ausschliessen", so der Anleihenexperte.

Bereits in den 1990er Jahren musste Japan eine längere Phase der Deflation ausstehen. Seit der Finanzkrise 2007 ist das als überstanden geglaubte Problem der Negativteuerung wieder zurück. Verschiedene Massnahmen wie mehr Geld drucken, höhere staatliche Ausgaben, Wirtschaftsreformen und nun auch die Negativzinspolitik scheinen in Japan noch keine Früchte getragen zu haben.

Markt hat "falsch" reagiert

In Europa hingegen sieht Krautzberger eine Einführung von Helikoptergeld derzeit nicht als realistisch an. Zumal er die jüngste EZB-Massnahme, "mehr quantitative Lockerung bei kaum tieferen Zinsen", als sehr gelungen erachtet. "Das EZB-Programm ist sehr gut, weil es weniger als erwartet auf die Zinssenkung fokussiert." Bei negativen Einlagesätzen hätten die Märkte hingegen global Bedenken wegen den Nebenwirkungen gehabt, so Krautzberger.

EZB-Chef Mario Draghi hatte am 10. März für viele Experten überraschend angekündigt, den Leitzins von bislang 0,05 Prozent auf 0,00 zu senken. Der Zinssatz für Einlagen der Geschäftsbanken wurde von minus 0,3 Prozent auf minus 0,4 Prozent gesenkt. Ausserdem weitet die EZB ab April ihr Kaufprogramm für Staatsanleihen und andere Wertpapiere von bisher 60 Milliarden Euro auf 80 Milliarden Euro aus.

Speziell war die Marktreaktion nach dem EZB-Entscheid: Der Euro wurde zum Dollar kurz schwächer, danach stärkte er sich. Gleichzeitig ging es mit Europas Aktien anfänglich hoch, dann wieder runter.
"Man sollte das Programm nicht nach der ersten Marktreaktion beurteilen", so Krautzberger. Am Abend der Ankündigung habe der Markt "falsch" reagiert. Man solle ihm vier bis sechs Wochen geben "und dann schauen, ob es geklappt hat oder nicht."

Im Interview mit cash sagt Krautzberger ausserdem, wieso der Franken auch nach dem EZB-Entscheid nicht stärker wurde, wie lange die Inflation noch negativ sein wird und weshalb europäische Aktien auch im aktuellen Niedrigzinsumfeld eine interessante Investition sind.

Das Gespräch mit Michael Krautzberger fand an der Morningstar Institutional Conference in Amsterdam statt. cash war an diesem Anlass Medienpartner.