Das Unternehmen setzt deswegen einen Teil seiner Prognose für das laufende Geschäftsjahr aus - den Ausblick auf den freien Barmittelzufluss, eine von Analysten stark beachtete Kennziffer. Zudem wurde die Entscheidung über eine mögliche Verselbständigung der Stahlsparte zunächst auf Eis gelegt. Die Aktie brach am Donnerstagvormittag um fast elf Prozent ein.

Aus Sicht des JPMorgan-Experten Luke Nelson ist der Barmittelfluss bei Thyssenkrupp "ein hochemotionales Thema angesichts der bewegten Vergangenheit" und der Probleme mit der Nachhaltigkeit von Zuflüssen. Entsprechend rechnet er zunächst mit einer "massiven Underperformance" der Aktien, die dem Markt also deutlich hinterherhinken dürften. Entspannter ist dabei Christian Obst von der Baader Bank. Er sieht zwar ebenfalls eine Belastung für den Kurs. Mit einer Nettoliquidität von mehr als 3 Milliarden Euro sollte das Unternehmen jedoch keinerlei Probleme haben, dem Sturm zu trotzen.

Durch den Krieg und seine gesamtwirtschaftlichen Folgen geht Thyssenkrupp davon aus, dass globale Störungen an verschiedenen Stellen der Lieferketten Folgen vor allem für die Stahl- und Autozuliefergeschäft haben dürfte, wie das Unternehmen am Mittwochabend mitteilte. Die Belastungen werde Thyssenkrupp nicht vollständig kompensieren können. Die Unternehmen der Gruppe reagierten darauf "mit allen notwendigen und möglichen Gegenmassnahmen", hiess es. Dabei sei das direkte Engagement in Russland und der Ukraine vernachlässigbar. Thyssenkrupp zufolge machen die Umsätze in den beiden Ländern unter ein Prozent der Gesamterlöse aus.

Der konkrete Umfang der direkten und indirekten Folgen des Krieges auf Thyssenkrupp sei derzeit mit hohen Unsicherheiten verbunden. Insbesondere wegen der steigenden Rohstoffpreise setze das Unternehmen daher die Prognose zum freien Barmittelzufluss ("Free Cashflow vor M&A") für das Geschäftsjahr 2021/2022 (per Ende September) aus. Nach jahrelangen Mittelabflüssen hatte Thyssenkrupp hier einen ausgeglichenen Cashflow angestrebt - zum erstmals seit 2015/16.

Bis zum Ausbruch des Krieges sei die Geschäftsentwicklung im ersten Quartal sowie im laufenden zweiten Quartal des Geschäftsjahres planmässig verlaufen, hiess es weiter. Im März habe es erste Beeinträchtigungen vor allem in den Stahl- und Autozuliefergeschäften gegeben. Derzeit geht das Management im zweiten Quartal für das bereinigte operative Ergebnis (Ebit) weiter von einer Verbesserung gegenüber dem Vorquartal aus. Der freie Mittelzufluss werde hingegen stärker als bislang erwartet von negativ wirkenden Preiseffekten belastet. Im ersten Quartal hatte es einen deutlichen Mittelabfluss von 858 Millionen Euro gegeben.

Hinter dem geplanten Spin-off des Stahlgeschäfts steht dazu nun ein dickes Fragezeichen. Die Folgen des Krieges "werden uns und insbesondere den Stahl treffen. Eine Umsetzung der Verselbstständigung ist in diesem aktuell instabilen Umfeld gegenwärtig nicht möglich", erklärte Vorstandschefin Martina Merz. Thyssenkrupp sehe aber nach wie vor sehr gute Zukunftsperspektiven in einer eigenständigen Aufstellung des Stahlgeschäfts. Die Sparte befindet sich derzeit im Umbau, inklusive des Abbaus von Stellen. Zudem steht das Stahlgeschäft vor der Herausforderung, klimafreundlicher zu produzieren, was Milliardeninvestitionen nötig macht.

Thyssenkrupp halte dabei an den Plänen zur "grünen Transformation" fest, so Merz. Es gelte, die Abhängigkeit Europas von Russland und grundsätzlich die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern deutlich zu verringern, erläuterte die Konzernchefin. "Insbesondere für unsere Pläne zur Dekarbonisierung im Stahlbereich erwarten wir ein klares Signal und konkrete Förderzusagen von der Politik."

(AWP)