Was derzeit mit der Aktie des insolventen Zahlungsdienstleisters Wirecard passiert, erinnert stark an die Zockerei mit der Aktie des US-Autovermittlers Hertz im vergangenen Sommer. Damals pushten Robinhood-Trader, mittlerweile ein geflügeltes Wort für junge Daytrader, die Hertz-Aktie innert Kürze steil nach oben. Für das zwischenzeitliche Kursplus von rund 600 Prozent gab gab es damals keine fundamentale Erklärung. Diese Woche spielt sich mit der Aktie von Wirecard ein ähnliches Phänomen ab.

Zur Erinnerung: Im Juni 2020 musste der Vorstand um CEO Markus Braun eingestehen, dass Bankguthaben in Höhe von 1,9 Milliarden Euro nicht auffindbar seien. Das Kartenhaus Wirecard brach zusammen - und mit ihm der Aktienkurs. 

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Am letzten Handelstag 2020 war die Aktie des Ex-Dax-Konzerns noch 31 Cent wert. Am gestrigen Dienstag ist sie an der Spitze bis auf 1,8 Euro gestiegen und verzeichnete somit ein Kursgewinn von rund 525 Prozent, ehe sie bei knapp 1 Euro schloss. Heute geht’s erneut aufwärts. Bis zum Mittag gewinnt die Aktie 25 Prozent und notiert derzeit bei 1,20 Euro.

Kursentwicklung der Wirecard-Aktie in den letzten 14 Tagen, Quelle: cash.ch.

Was ist da los? Fakt ist, dass das Handelsvolumen der Aktie in den letzten Tagen massiv in die Höhe gegangen ist. Am gestrigen Dienstag wurde laut dem Finanzdienstleister Refinitiv 70 Millionen Aktien gehandelt. Zum Vergleich: In den letzten Monaten betrug das durchschnittliche Handelsvolumen pro Tag etwa eine Million. Und auch heute wird die Aktie rege gehandelt. Allein in den ersten zwei Handelsstunden wurden 15 Millionen gehandelte Stücke gezählt.

Über die Gründe lässt sich derzeit leider nur spekulieren. In diversen Internetforen tauchen plötzlich pseudo-journalistische Texte über zukünftige Kursexplosion der Wirecard-Aktie auf. "Sondermeldung zum Handelsende für Wirecard Anleger: Darum wird der Mittwoch sensationell werden!" ist nur ein Beispiel zwielichtiger Berichterstattung (wenn man sie denn so nennen will), die derzeit im Netz kursiert. Gut möglich, dass sich Daytrader, angestachelt durch solche Beiträge im Netz, auf die Aktie stürzen.

Wer bezahlt die Rally am Schluss?

Oft handelt es sich bei solchen Vorgängen um eine selbsterfüllende Prophezeiung. Jeder, der sich in den entsprechenden Foren tummelt und die Beiträge liest, geht davon aus, dass die Aktie nun nach oben schiesst. Die Frage ist nur, wer am Schluss die ganze Sause bezahlt . Es werden die Letzten sein, die auf den Zug aufspringen. Ganz nach dem Motto: Die letzten beissen die Hunde.

In der Vergangenheit kam es zudem nicht selten vor, dass solche positiven Meldungen von Profi-Tradern in Umlauf gebracht wurden, nachdem sie sich vorher mit Aktien eingedeckt hatten. Ob das hier der Fall gewesen ist, darüber kann nur spekuliert werden. Die hohen Handelsvolumina sprechen allerdings dafür, dass Profi-Händler hier ihre Finger mit im Spiel haben.

Fundamental ist das derzeitige Hoch der Wirecard-Aktie jedenfalls nicht zu erklären. Der Zahlungsdienstleister hat keinerlei wirtschaftliche Perspektive. Das Unternehmen ist pleite und wird derzeit vom bekannten Insolvenzverwalter Michael Jaffé abgewickelt. Alles läuft darauf hinaus, dass am Ende für die Aktionäre wohl kein einziger Cent herausspringt. Aktien-Inhaber stehen bei einem Insolvenzerlös immer an letzter Stelle, hinter den Anleihen-Inhabern. Ein Totalverlust ist also praktisch vorprogrammiert.