In den USA steigt die Inflation. Ist nun der Zeitpunkt gekommen, stärker in Obligationen zu investieren?

Stefan Frischknecht: Nein, dies aus zwei Gründen: Erstens ist es bei steigender Inflation jeweils zu früh, in Obligationen zu investieren, denn mit der Inflation steigen die Zinsen und es besteht die Gefahr fallender Obligationenpreise.

Zweitens ist das absolute Zinsniveau immer noch in fast allen Ländern tiefer als der langfristige Durchschnitt der Inflation, welcher in den meisten Ländern bei grob 2 Prozent liegt. Die Europäischen und amerikanischen Notenbanken streben zudem eine Inflation von 2 Prozent an und würden vorübergehend sogar mehr als 2 Prozent tolerieren. Da die langfristigen Zinsen immer noch unter dieser Marke liegen, ist mit einem Verlust der Kaufkraft zu rechnen.

Der Kurs von Kryptowährungen wie Bitcoin und Ethereum ist stark gefallen. Bietet sich hier eine Chance für mutige Anlegerinnen?

Am 14. April hatte der Kurs von Bitcoin fast 65'000 US-Dollar erreicht, um am 19. Mai auf 30'000 zu sinken. Aus meiner Sicht zeigen solch enorme Schwankungen, dass Bitcoin und andere Cyberwährungen keine Anlage sind, sondern reine Spekulation und daher nicht in ein seriös verwaltetes Portfolio gehören.

Was halten Sie derzeit von Investitionen in Schwellenländer (Aktien/Obligationen)? Sehen Sie einige Märkte, die Sie interessant finden?

Innerhalb von Aktien stehen wir Schwellenländern eher neutral gegenüber, denn bezüglich Impfungen liegen die meisten hinter den entwickelten Ländern. Zudem hat sich in China der Kreditzyklus begonnen zu drehen. Bei Staatsobligationen haben wir keine Präferenz für Schwellenländer, einzig im spezialisierten Bereich der Unternehmensanleihen sehen wir Opportunitäten.

Der Börsenwert von Covid-Impfstoffherstellern wie Biontech, Curevac, Moderna oder Novavax ist in der Pandemie in die Höhe geschossen. Trauen Sie solchen Impfstoff-Herstellern auch langfristig Erfolg zu?

Die sogenannte mRNA Technologie ist vielversprechend. Es wurden erst junge Erfahrungen erzielt, und somit darf die Datenlage deshalb noch nicht als endgültig gesichert betrachtet werden. Die Impfstoffe mit dieser Technologie scheinen aber den klassischen Impfstoffen leicht überlegen zu sein.

Was die Börsenkurse betrifft, braucht es etwas, das niemand hofft: eine lange anhaltende Pandemie oder mindestens die Notwendigkeit, die Impfung einmal pro Jahr aufzufrischen, respektive an die neuen Mutanten anzupassen.

Blicken wir auf das allgemeine Börsengeschehen: Wie stark beschäftigt die Corona-Krise die Finanzmärkte?

Die Corona-Krise ist ein wichtiger Einflussfaktor, aber nicht der einzige. Die entwickelten Länder haben bei der Impfung wesentliche Fortschritte erzielt. Es darf deshalb gehofft werden, dass Corona-bedingte Restriktionen gelockert werden können und sich die Wirtschaft weiter erholt.

Noch wichtiger ist meines Erachtens aber die Notenbankpolitik. Die Marktteilnehmer haben sich so stark an die äusserst expansive Geldpolitik gewöhnt, dass eine Abkehr davon die Finanzmärkte deutlich negativ beeinflussen könnte. Wir erwarten dies zwar noch nicht, aber allein die Debatte darüber dürfte für Spannung sorgen.

Wie wird sich die Schweizer Börse kurzfristig entwickeln?

Im Mai verzeichnete der Swiss Performance Index einen neuen Höchststand. Die Erholung seit dem während der Covid-19 Pandemie verzeichneten Tief ist so rasch und stark erfolgt, dass man für die kommenden Monate eher mit einer Verschnaufpause rechnen sollte. Auch wenn das wirtschaftliche Umfeld für Aktien noch günstig bleibt, könnte der künftige Kurs der Zentralbanken etwas Unsicherheit bringen.

Wo steht der SMI in zwölf Monaten?

Eine Prognose auf 12 Monate ist eigentlich eher auch noch kurzfristig. Wie dargestellt, ist das Umfeld für Aktien positiv: die Wirtschaft beschleunigt sich, die Unternehmensgewinne legen kräftig zu und die Geldpolitik bleibt sehr expansiv. Dies sollte die Börsen nach einer möglichen Verschnaufpause weiter unterstützen.

Das Interview wurde schriftlich geführt und erschien in der vollständigen Version zuerst auf handelszeitung.ch unter dem Titel "Cyberwährungen gehören nicht in ein seriös verwaltetes Portfolio".