Durch Familien gesteuerte Unternehmen stechen an der Börse mit einer überdurchschnittlichen Performance heraus. Lohnt es sich, gezielt auf solche Titel zu setzen?

Caroline Hilb Paraskevopoulos: Ja, ich finde, dass sich eine Investition lohnt, vor allem langfristig. Darum können Familienunternehmen gut als Teil eines Kernportfolios gekauft und gehalten werden und das über verschiedene Marktphasen hinweg. Bei Familienunternehmen fällt häufig die disziplinierte Herangehensweise auf der Finanzseite auf. Deshalb haben solche Firmen oft eine gute Bilanzqualität, was ich bei einem langfristigen Engagement wichtig finde. Ebenfalls tätigen sie seltener überteuerte Übernahmen und nehmen in den meisten Fällen eine langfristige Perspektive ein, was auch dem Aktionär dient. Was sicher eher kritisch hinterfragt werden muss, ist bei solchen Firmen die Corporate Governance. Diese ist nicht immer ganz ideal, dies würde ich im Hinblick auf die positiven Eigenschaften aber in Kauf nehmen. Gute Beispiele für Familien gesteuerte Unternehmen sind SchindlerRoche und auch Kühne+Nagel.

Der bekannte US-Investor Bill Gross warnt vor einer Zinsfalle - und sagt anhaltend tiefe Zinsen voraus. Deckt sich diese Prognose mit Ihren Erwartungen?

Ich erwarte zwar einen leichten Anstieg der Zinsen, aber in Summe bleiben die Zinsen tief. Diesbezüglich deckt sich meine Prognose mit der von Bill Gross. Allerdings habe ich nicht den Eindruck, dass die Notenbanken in der Falle sitzen. Ich habe vielmehr den Eindruck, dass die Notenbanken mit ihrer Geldpolitik zufrieden sind und darum auch gar keinen Grund sehen, sich schnell und drastisch von ihrer Tiefzinspolitik zu verabschieden. Allerdings würde ich es sehr begrüssen, wenn die Notenbanken lauter über die Ausstiegsmöglichkeiten aus der expansiven Geldpolitik nachdenken würden. Das hilft, die Erschütterungen an den Märkten möglichst klein zu halten, auch wenn es ganz ohne nicht gehen wird. Ich bin überzeugt, dass die Notenbanken bei einer frühzeitigen Planung und einer transparenten Kommunikation der Falle entweichen können. Hier ist die Fed mit ihrer Tapering-Ankündigung ein gutes Beispiel dafür, wie es funktioniert.

Eine gute Anlagestrategie sei langweilig, haben Sie in einem cash-Interview Anfang Jahr gesagt. Was sind die Bausteine dieses Prinzips?

Mit 'langweilig' meine ich in erster Linie vorhersehbar. Das bedeutet, ganz klassisch, dass der Kern eines Aktienportfolios aus Dividendenwerten und Qualitätstiteln besteht. Bei Dividendenwerten setze ich auf Aktien, welche ihre Dividende in den letzten Jahren erhöht haben. Wichtig ist, dass diese aus dem laufenden, operativen Geschäft gewonnen wird. Bespiele sind SGSVontobel oder BKW. Bei den Qualitätstiteln denke ich an Firmen mit einer starken Marktführerschaft, einer guten Bilanzqualität sowie einem breiten Produktportfolio. Hier sind EmsGeberit und Alphabet bekannte Beispiele. Gerade solche Firmen sind gut durch die Krise gekommen. Nun lässt sich dieses Portfolio ergänzen, auch mit aufregenderen Komponenten. Einerseits mit Aktien, die volatiler sind und die nur für eine mittlere Haltedauer gekauft werden. Aber auch mit anderen Anlageklassen lässt sich dieser Kern ergänzen, beispielsweise mit konjunktursensitiven Edelmetallen. Anders als bei den Kernaktien, bei denen die langfristigen Ziele eine Rolle spielen, wäre hier die Marktstimmung für die Investition entscheidend.

Wechseln wir zum allgemeinen Börsengeschehen: Wie stark beschäftigt die Corona-Krise die Finanzmärkte aktuell?

Seit dem Auftauchen der neuen Variante Omikron dominiert das Thema wieder stark. Hierbei fällt auf, dass der Markt stark zwischen Aktien, die als 'Corona-Verlierer' und 'Corona-Gewinner' gelten, unterscheidet. Es ist eigentlich ein Déja-vu. Das grösste Risiko der neuen Variante besteht meiner Meinung nach darin, dass die Wirksamkeit der Impfstoffe bisher nicht bestätigt werden konnte. Das verunsichert natürlich, vor allem weil mit den Impfstoffen die Verflechtung zwischen der Pandemie und der globalen Konjunktur faktisch aufgelöst worden war. Dass nun das Pandemiegeschehen die Konjunktur wieder stärker belasten könnte, zum Beispiel über eine zusätzliche Verschärfung bei den Lieferketten, beim Angebot von Transportfazilitäten oder über das Sentiment, verunsichert. Ich erwarte allerdings, dass diese Verflechtung nicht mehr gleich sein wird wie im letzten Jahr, weil der Aspekt der globalen Gleichzeitigkeit, als alle Länder synchron in Lockdowns gingen, dieses Mal nicht greifen wird. Deshalb bin ich für die Aktienmärkte weiterhin positiv gestimmt, auch wenn die starken Kursschwankungen noch andauern werden, so lange die Unsicherheit bestehen. Hier bleibt Geduld und ein gutes Nervenkostüm weiterhin gefragt.

Wie wird sich die Schweizer Börse kurzfristig entwickeln?

Kurzfristig, also bis Ende Jahr, bin ich für die Aktienmärkte optimitisch gestimmt, auch wenn mit Omikron sich die Pandemielage wieder verschärft hat. Die starken Kursausschläge werden nicht von heute auf morgen verschwinden. Häufig sind solche Phasen aber auch gute Marktlagen, um aktiv zu rebalancen oder attraktive Positionen weiter auszubauen.

Wo steht der SMI in zwölf Monaten?

Er steht höher, bei rund 13'300 Punkten.

Das Ende des Börsenjahrs naht. Was sind Ihre Erwartungen für das Börsenjahr 2022? 

Die Wirtschaft wird sich weiterhin gut entwickeln und die Unternehmensergebnisse werden steigen. Gerade die aktuell höhere Inflation kann den Firmen sogar dabei helfen, höhere Preise durchzusetzen. Die Zinsen werden nur leicht steigen, weshalb es zu Aktien weiterhin keine Alternativen gibt. Die Zinswende in den USA wird die Märkte allerdings vor Herausforderungen stellen. Hier ist entscheidend, dass die Fed nach Plan vorgeht und offen kommuniziert. Beim Tapering hat sie das meiner Meinung nach sehr gut gemacht. Auch rechne ich damit, dass die Märkte im nächsten Jahr wieder etwas politischer werden. Hier denke ich beispielsweise an die Wahlen in den USA. Ebenfalls auf dem Risikoradar habe ich China. Chinas Bedeutung für die Weltwirtschaft ist in den letzten Jahrzehnten laufend gewachsen. Die chinesische Politik hat sich aber in den letzten Monaten gerade bei Wirtschaftsfragen verändert. Dieser Prozess dauert an und kann die Märkte immer wieder auf dem falschen Fuss erwischen.

Dieses inhaltlich aktualisierte Interview erschien in der Originalversion zuerst im Digitalangebot der "Handelszeitung" unter dem Titel: Familienunternehmen: "Ja, ich finde, dass sich eine Investition lohnt". Caroline Hilb Paraskevopoulos beantwortete die Fragen schriftlich.