"Die Korrektur fühlt sich ganz klar wie ein Bärenmarkt an." Diese Aussage eines Aktienspezialisten ist nur knapp einen Monat alt. Sie illustriert auch die starke Erholung, die in der Zwischenzeit an den Börsen stattgefunden hat. Denn seit dem Jahrestief Mitte Februar hat der Swiss Market Index (SMI) mehr als 7 Prozent gewonnen (siehe Chart), beim amerikanischen S&P 500 sind es gar knapp 12 Prozent.

Verlauf des SMI in diesem Jahr, Quelle: cash.ch

Zuvor hatten sich Investoren von sinkenden Rohstoffpreisen und schlechten Konjunktursignalen aus China und den Schwellenländern verunsichern lassen. Rund um den Globus brachen die Aktienmärkte innert Kürze um 10 und mehr Prozent ein. Die jahrelange Börsenhausse, so schien es, ging zu Ende und viele Beobachter sahen einen Abwärtszyklus eintreten.

Umso erstaunlicher ist es, dass diese Ängste offenbar bereits überwunden sind. In der Tat kamen jüngst positive Wirtschaftsdatenzum Vorschein: Die Industrie der Eurozone hat zu Beginn des Jahres überraschend viel produziert und damit die Rückschläge vom Dezember und November mehr als wettgemacht. Auch der Empire-State-Index, ein wichtiger Frühindikator aus den USA, ist im März stärker als erwartet gestiegen.

Verschiedene Risiken lauern

Doch ist die Korrektur bereits Geschichte? "Eine Erholung an den Aktienmärkten ist feststellbar, aber nach wie vor gibt es erhöhtes Risikopotenzial", sagt Gabriel Bartholdi vom Beratungsunternehmen Wellershoff & Partners zu cash. Der Börsenspezialist meint damit namentlich eine Abschwächung der Konjunktur in den USA oder in den Schwellenländern.

Nach wie vor sind auch viele Anlegeraugen auf die Aktionen der Zentralbanken gerichtet. Doch die Worte von Draghi, Yellen und Co. scheinen allmählich zu verpuffen. Auf die über den Erwartungen liegenden Massnahmen der Europäischen Zentralbank (EZB) reagierten die Märkte auf jeden Fall ohne klare Richtung: zuerst euphorisch, dann enttäuscht. "Man wird den Eindruck nicht los, dass die Märkte im Moment auf der Suche nach Richtung sind", kommentiert die Zürcher Kantonalbank (ZKB) die aktuelle Börsenstimmung.

Ziellosigkeit herrsche bei den Anlegern auch deshalb, weil nach der amerikanischen Notenbank auch die EZB mit ihrer Lockerungspolitik am Ende angelangt sei. Dem widerspricht Bartholdi: " Die EZB hat bereits viel unternommen. Am Ende des QE steht sie aber noch nicht." Um diesen Punkt zu erreichen, müsste sich die Situation in der Euro-Zone deutlich verbessern. Doch in vielen Ländern kommt die Wirtschaft auch im sechsten Jahr nach Ausbruch der Euro-Krise nicht richtig in Schwung.

35 Milliarden an Dividenden

An der Schweizer Börse hängen die jüngsten Kursavancen stark mit den Dividenden zusammen, die derzeit und in den kommenden Wochen an die Aktionäre ausgeschüttet werden. Schweizer Firmen sind im internationalen Vergleich sehr spendabel. Alleine die SMI-Unternehmen zahlen in diesem Frühjahr rund 35 Milliarden Franken an Dividenden an ihre Aktionäre, wie Berechnungen der Privatbank Rahn & Bodmer zeigen. Im Umfeld tiefer Zinsen und sinkender Renditen bei sicheren Obligationen legen sich deshalb viele Anleger attraktive Dividendentitel ins Depot.

Doch die derzeitige Erholung ist alles andere als in Stein gemeisselt. Viel hängt von der konjunkturellen Entwicklung ab und hier sind die Signale gemischt. Die Stabilisation der Ölpreise wird als positives Zeichen gewertet. Daneben gibt es politische Risiken wie das Brexit-Votum in Grossbritannien, das für Unruhe an den Märkten sorgen könnte.  Das Fazit der ZKB-Analysten: "Die konjunkturellen Risiken und Unwägbarkeiten bleiben zurzeit ungewöhnlich hoch und damit wohl auch die Volatilität an den Aktienmärkten."

Deutlich optimistischer ist Roland Egger, von dem das eingangs erwähnte Zitat stammt: "Der langfristige Aufwärtstrend an den Börsen, der seit 2009 im Gange ist, hält immer noch an. Was wir in den letzten Wochen sahen, war ein zyklischer Bärenmarkt." Der Investment-Spezialist der Privatbank Lombard Odier hält denn auch an seiner mutigen SMI-Prognose von 10'000 Punkten bis Ende Jahr fest.

Auch in den USA gehen bereits wieder die Bullen um. Wall-Street-Strategen rechnen damit, dass der Bullenmarkt mindestens bis Ende Dezember weitergeht. Der S&P 500 sollte bis auf 2158 Punkte steigen, so der Durchschnitt aus 21 Schätzungen, die Bloomberg zusammengestellt hat.