Die Suche nach Sicherheit hat 2016 viele Investoren in Goldanlagen getrieben. Seit Jahresbeginn hat der Goldpreis um satte 24 Prozent zulegen können – mit keiner anderen Anlageklasse liess sich in diesem Jahr bisher so viel verdienen. Gold-ETF genossen im ersten Halbjahr entsprechend Hochkonjunktur – mit reichlich Geldzufluss.

Das hatte einen ganz spezifischen Grund: "Die wohl spekulativen Rückflüsse in Gold-ETF im Frühling wurden vornehmlich von der Erwartung eines langsameren als ursprünglich erwarteten Zinsanstiegs in den USA ausgelöst", sagt Arno Endres, Leiter Finanzanalyse der Luzerner Kantonalbank (LUKB), gegenüber cash.

Die tiefen Zinsen in vielen Ländern machen Gold attraktiv, da mit anderen Investments kaum Renditen erzielt werden können. Ebenfalls für Gold spricht die derzeitige, allgemeine Verunsicherung an den Finanzmärkten – der Brexit-Beschluss der britischen Stimmbürger von Ende Juni etwa oder aktuell die aufflammende Bankenkrise in Europa.

In diesem Umfeld müsste Gold eigentlich weiterhin attraktiv bleiben. Doch seit Juli ist ein Nachlassen der Preisdynamik zu beobachten, wie die folgende Grafik zeigt:

Entwicklung Goldpreis seit Jahresbeginn, in Dollar pro Unze. Quelle: cash.ch

In den letzten 12 Wochen ist Gold um 3 Prozent billiger geworden. Eine Unze gibt es derzeit für 1316 Dollar – auf dem Höchststand im Juli waren es noch 1367 Dollar.

Warum plötzlich diese Wende? "Der Goldpreisanstieg im ersten Halbjahr war relativ stark, deshalb ist es bei einigen Investoren nun zu Gewinnmitnahmen gekommen", sagt Rohstoff-Expertin Susanne Toren von der Zürcher Kantonalbank (ZKB) auf cash-Anfrage. Darüber hinaus seien gewichtige Abnehmer von Gold, sprich China und Indien, sehr zurückhaltend in ihrer Goldnachfrage.

Der Monsun beeinflusst den Goldpreis

Während in China die die schwächelnde Industrie die Goldnachfrage dämpft, ist in Indien ein Wetterphänomen schuld an der Misere: 80 Prozent von Indiens Gold wird von der Landbevölkerung erworben. Traditionellerweise wird auf dem Subkontinent in den Monaten September bis November geheiratet und das Brautpaar dabei mit Gold beglückt. Doch 2015 war der Monsunregen sehr stark, was die diesjährige Ernte mager ausfallen liess. Das schmälert das Einkommen der Bevölkerung und hält die Inder vor allzu grosszügigen Goldgeschenken ab.

Immerhin gibt es für nächstes Jahr Entwarnung: Die anstehende Monsunsaison soll gemäss Vorhersagen des US-Wetterdienstes weniger dramatisch ausfallen. "Das kann im Verlaufe der nächsten 12 Monate wiederum einen positiven Effekt auf den Goldpreis haben", so Toren.

Überhaupt spricht derzeit kaum etwas für einen starken Preisfall beim Gold. Im Gegenteil: Im Markt geistern Ängste einer erneuten Finanzkrise herum, ausgehend vom kränkelnden europäischen Bankensystem. Darüber hinaus stehen noch zahlreiche heikle politische Entscheide an: Die US-Präsidentschaftswahl am 8. November, das Verfassungsreferendum in Italien am 4. Dezember sowie weitere wichtige Wahlen im nächsten Jahr, etwa in Deutschland oder Frankreich.

Endres von der LUKB bringt auch die globale Verschuldung als weiterer Goldpreis-Treiber ins Spiel, da Gold als Rückversicherung gehalten werde.

Die wichtige Rolle der US-Notenbank

Doch auch wenn vieles für Gold spricht, gibt es trotzdem eine nicht vernachlässigbare potenzielle "Party-Bremse": Ein Zinsanstieg der US-Notenbank. Höhere Zinsen haben eine negative Wirkung auf den Goldpreis, da damit die Opportunitätskosten der Goldhaltung – sprich: die entgangenen Zinsen - höher werden.

Toren sieht jedoch keine unmittelbare Gefahr für den Goldpreis. Ein US-Zinsanstieg im Dezember könne den Goldpreis vor allem im Vorfeld des Entscheides belasten, doch danach werde es kaum eine Rolle mehr spielen.

Dass ein Zinsschritt in den USA dem Goldpreis nichts anhaben kann, wurde bereits im letzten Jahr nach dem ersten Zinsanstieg der Fed deutlich. Gold setzte entgegen der allgemeinen Erwartungen unmittelbar nach dem Zinsschritt zur Rallye an, die bis Mitte dieses Jahres andauerte.

Experten rechnen mehrheitlich mit leichtem Preisanstieg

Was bedeutet dies nun für die weitere Goldpreisentwicklung? Ausgehend von der Annahme, dass sich die globale Wirtschaftslage stabilisiert, sich die realen Renditen von US-Anleihen wieder an das langfristige Wirtschaftswachstum von 2 Prozent angleichen und die US-Notenbank die Inflation bei ungefähr 2 Prozent halten kann, liegt gemäss ETF-Anbieter Source ein tiefer Fall des Goldpreises auf 664 Dollar pro Unze drin. Das würde manch einen Goldinvestor auf dem falschen Fuss erwischen.

Mit diesem Szenario rechnet jedoch keiner der von cash angefragten Experten. So gehen sowohl Toren von der ZKB, als auch Endres von der LUKB über die nächsten 12 Monate von einem leicht ansteigenden Goldpreis auf ungefähr 1400 Dollar beziehungsweise 1425 pro Unze aus – da die Märkte noch weiterhin durch zahlreiche Unsicherheiten belastet sein werden und das allgemeine Zinsniveau noch eine Weile tief bleiben werde.