Die Strafverfolger gehen dem Anfangsverdacht nach, BMW habe bei Dieselautos die Abgase per Software manipuliert und damit betrogen. Nur einen Tag vor der Bilanz-Pressekonferenz durchsuchten rund 100 Beamte die Konzernzentrale in München und das Motorenwerk im österreichischen Steyr.

"Es besteht der Anfangsverdacht, dass die BMW eine prüfstandsbezogene Abschalteinrichtung verwendet (hat)", teilte die Staatsanwaltschaft München mit. Ihre Kollegen in Braunschweig eröffneten unterdessen gegen Volkswagen ein weiteres Ermittlungsverfahren. Dieses Mal geht es um den Verdacht der Marktmanipulation im Zusammenhang mit einer Pflichtmitteilung des Konzerns Ende 2015 zu Unregelmässigkeiten bei der Messung von CO2-Werten.

BMW-Chef Harald Krüger hatte stets betont, bei BMW sei die Diesel-Abgasreinigung nicht manipuliert worden. Das Unternehmen informierte am Nachmittag noch vor der Staatsanwaltschaft über die Durchsuchungen, blieb aber trotz der Razzia bei seiner Position: Es geht dabei um 11'400 Fahrzeuge, die der Autobauer zurückrufen will. Bei internen Tests sei festgestellt worden, dass eine korrekt entwickelte Software irrtümlich den falschen Modell-Versionen zugeordnet worden sei. "Unverändert geht die BMW Group davon aus, dass es sich bei dem Vorfall um eine fehlerhafte Software-Zuordnung handelt und nicht um eine gezielte Manipulation der Abgasreinigung", erklärte der Konzern.

Die Strafverfolger wurden aktiv, nachdem das Kraftfahrt-Bundesamt am 22. Februar die Staatsanwälte darüber informiert hatte, dass Vertreter von BMW eingeräumt hätten, es sei eine unzulässige Abschalteinrichtung verbaut worden. Am 27. Februar leiteten sie ein Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt wegen Betrugsverdachtes ein. Die Münchener Staatsanwaltschaft ermittelt schon länger wegen Abgasbetrugsverdachts auch gegen die Volkswagen-Tochter Audi. Die Ermittler in den beiden getrennten Verfahren tauschten sich aus, erklärte eine mit den Vorgängen vertraute Person der Nachrichtenagentur Reuters. Vor fast genau einem Jahr durchforsteten die Beamten bei Audi in Ingolstadt und Neckarsulm Büros, während Audi-Chef Rupert Stadler vor der Presse die Bilanz präsentierte. Mittlerweile wurde Audi vier Mal durchkämmt, zuletzt Ende Februar. Inzwischen gibt es 17 Beschuldigte, darunter aber kein amtierendes Vorstandsmitglied. Daimler war im Mai Ziel einer bundesweiten Razzia der Stuttgarter Staatsanwaltschaft. Auch ihr Verdacht: Betrug mit manipulierter Abgasnachbehandlung sowie strafbare Werbung.

Falsche Entwarnung?

Volkswagen steht unterdessen nicht nur unter dem Verdacht der Abgasmanipulation und der verspäteten Information über 'Dieselgate' und die Folgen, sondern auch wegen CO2-Messungen, über die der Konzern Ende 2015 wenige Monate nach Auffliegen des Diesel-Skandals von sich aus informierte. In einer Adhoc-Mitteilung vom 3. November 2015 hiess es, bei der Bestimmung des CO2-Wertes für die Typ-Zulassung von Fahrzeugen sei es zu "nicht erklärbaren Werten gekommen". Davon könnten rund 800.000 Fahrzeuge betroffen sein. Den wirtschaftlichen Schaden bezifferte VW damals auf rund zwei Milliarden Euro. Nur wenige Wochen später revidierten die Niedersachsen dies jedoch und erklärten, der Verdacht auf rechtswidrige Veränderungen der Verbrauchsangaben habe sich nicht bestätigt. Bei Nachmessungen seien nur bei neun Modellvarianten leichte Abweichungen festgestellt worden und lägen im Schnitt nur bei wenigen Gramm CO2. Die Messergebnisse wurden unter Aufsicht des KBA überprüft. Auch die Töchter Audi, Skoda und Seat wurden überprüft.

Die Staatsanwaltschaft Braunschweig eröffnete deswegen jetzt ein neues Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt wegen Marktmanipulation. Ein Sprecher der Behörde bestätigte am Dienstag einen entsprechenden Bericht der "WirtschaftsWoche". Es bestehe der Anfangsverdacht, die Adhoc-Mitteilung mit der Entwarnung sei "objektiv inhaltlich falsch gewesen". Anfang März durchsuchten die Ermittler deshalb 13 Büros in der Wolfsburger VW-Zentrale und beschlagnahmten Papiere und grössere Datenmengen. Die Durchsuchungen dienten "zur Überprüfung des Tatverdachtes und zur Ermittlung und Identifikation der handelnden verantwortlichen Personen", zitierte das Magazin einen Sprecher der Staatsanwaltschaft. Volkswagen bestätigte lediglich die Durchsuchungen und wollte sich wegen der laufenden Ermittlungen nicht weiter äussern.

"Hier wird nichts rauskommen"

Der Rechtsvorstand der VW-Mutter Porsche SE und VW-Chefurist Manfred Döss hält es indes für unwahrscheinlich, dass eine Anklage erhoben wird. "Hier wird nach meiner Einschätzung nichts rauskommen", sagte er in Stuttgart. Die Staatsanwaltschaft Braunschweig ermittelt bereits gegen zahlreiche Beschuldigte im VW-Dieselskandal und geht auch dem Verdacht der Marktmanipulation gegen den früheren VW-Chef Martin Winterkorn, den damaligen Finanzvorstand und heutigen Aufsichtsratsvorsitzenden Hans Dieter Pötsch sowie gegen VW-Markenchef Herbert Diess nach. Auch die Staatsanwaltschaft Stuttgart ermittelt in diesem Zusammenhang.

All diese Ermittlungen gegen VW und die Porsche SE werden Döss zufolge in diesem Jahr noch keine Ergebnisse zeitigen. In Braunschweig und Stuttgart sei vor Anfang 2019 nicht mit einer Entscheidung zu rechnen, ob Anklage erhoben werde. Sollte dies der Fall sein, käme es womöglich erst 2021 zu einem Prozess. Die Ermittlungen seien sehr komplex, betonte Döss. "Das gehört zum Schwierigsten, was sich eine Staatsanwaltschaft antun kann." Die Porsche SE bekräftigte, alle Schadenersatzklagen und Vorwürfe im Zusammenhang mit der Dieselthematik seien nach ihrer Ansicht unbegründet.

(Reuters)