Der Zerfall der Energiepreise macht nicht nur den Börsen das Leben schwer. In die Bredouille geraten auch die Notenbanken, namentlich die Europäische Zentralbank (EZB). "Keine Notenbank der Welt kann den Ölpreis beeinflussen. Das ist eine Entwicklung, durch die wir durchmüssen", sagte Ewald Nowotny, EZB-Ratsmitglied und Gouverneur der Österreichischen Nationalbank, jüngst im cash-Exklusiv-Interview

Nowotny versuchte damit den Einfluss des Ölpreises auf die Inflationsentwicklung in der Eurozone zu erklären. Im Februar verzeichnete der Euroraum in der Tat im Jahresvergleich eine Inflationsrate von minus 0,2 Prozent. Im Januar hatte die Inflationsrate noch bei plus 0,3 Prozent gelegen.

Dies setzt die EZB stärker unter Handlungsdruck, zumal sie für das Ziel der Preisstabilität eine Inflation von mittelfristig knapp unter zwei Prozent anstrebt – eine Marke, von der sich die Volkswirtschaft immer weiter entfernt. Da scheint es plausibel, dass der EZB-Rat bei der nächsten Sitzung vom 9. und 10. März weitere geldpolitische Massnahmen ankündigen wird.

SNB richtet Politik nach EZB aus

Ein aufmerksamer Verfolger des EZB-Entscheids wird die Schweizerische Nationalbank (SNB) sein. Denn die EZB wird mit ihren Massnahmen – welche immer es auch sein werden - versuchen, den Euro zu schwächen. Dies soll idealerweise die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Exporteure verbessern und gleichzeitig einen höhere Inflation herbeizaubern.

Was wiederum der SNB kaum gefallen wird. Denn ein schwächerer Euro bringt zwangsläufig auch den Franken unter Aufwertungsdruck - genau das, was die hiesige Nationalbank um jeden Preis vermeiden möchte. Damit der Franken als Anlagewährung weniger attraktiv ist, hatte die SNB seit Januar 2015 Negativzinsen auf Girokontenguthaben erhoben.  Es ist deshalb kaum anzunehmen, dass SNB-Präsident Thomas Jordan eine Frankenstärkung einfach tatenlos hinnehmen wird. 

"Interventionen der SNB am Devisenmarkt im Umfeld des EZB-Meetings sind sehr wahrscheinlich", sagt Thomas Stucki, Anlagechef der St. Galler Kantonalbank und in selbiger Funktion früher bei der SNB tätig, auf Anfrage von cash. Je nach EZB-Entscheid wird die SNB also gezwungen sein, ebenfalls Anpassungen an ihrer Geldpolitik vorzunehmen.

Nicht zentral sei dabei der Entscheid über eine Vergrösserung des Anleihekaufprogramms – auch QE genannt – der EZB: "Ob die EZB ihr QE-Programm ausweitet oder nicht, ist mehr ein Nebenschauplatz, da die Signalwirkung relativ bescheiden ausfallen wird", so Stucki. Im Fokus stünden viel mehr die Entscheide über den Einlagesatz und den Refinanzierungssatz.

Folgende Szenarien sind am 10. März beim EZB-Zinsentscheid denkbar:

1) Die EZB senkt den Einlagesatz (Wahrscheinlichkeit: 70 Prozent)
Stucki erwartet, dass die EZB den Einlagesatz auf minus 0,5 Prozent senken wird. Der Einlagesatz - aktuell bei minus 0,3 Prozent - bestimmt, zu welchem Zins Geschäftsbanken aus dem Euroland kurzfristig Geld bei der EZB anlegen können. Ein negativer Satz 'bestraft' quasi Banken, die Geld bei der Zentralbank halten und regt sie gleichzeitig dazu an, stattdessen Kredite zu vergeben. 

Massnahmen der SNB: Ihr Negativzins bleibt unverändert, eventuell Devisenkäufe zur Frankenabschwächung.

2) Die EZB senkt den Einlagesatz und den Refinanzierungssatz (Wahrscheinlichkeit: 25 Prozent)
Der Refinanzierungssatz bildet die Basis von Krediten, die von Banken ausgegeben werden und stellt quasi den offiziellen Leitzins der EZB dar. Aktuell liegt dieser bei 0,05 Prozent. Für die SNB ist dies der entscheidende Satz, zu welchem man eine gewisse Zinsdifferenz beibehalten möchte, um den Franken 'unattraktiv' zu halten. Wird dieser gesenkt, muss sich auch die SNB ernsthafte Gedanken machen, den Negativzins nach unten anzupassen.

Massnahmen der SNB: Ausweitung der Negativzinsen auf minus 1 Prozent. Bei massiver Leitzinssenkung der EZB sogar Erhöhung auf minus 1,25 Prozent möglich.

3) Die EZB lässt ihre Zinsen unverändert (Wahrscheinlichkeit: 5 Prozent)
Die Inflation ist im Februar neu sogar negativ und eine weitere Zinssenkung bereits im Markt eingepreist: Es ist sehr unwahrscheinlich, dass EZB-Präsident Mario Draghi unerwartet auf eine Zinssenkung verzichten wird und so für unnötige Turbulenzen im Finanzmarkt sorgt. Sollte dieses Szenario trotzdem eintreffen, so würde Draghi wohl zumindest die Laufdauer des Anleihenkauf-Programms - welches offiziell im Frühling 2017 enden soll - ausweiten.

Massnahmen der SNB: Negativzins bleibt unverändert, eventuell Devisenkäufe zur Frankenabschwächung.

4) Die EZB hebt ihre Zinsen an (Wahrscheinlichkeit: 0 Prozent)
Die Europäische Zentralbank hat die Aufgabe, die Preisstabilität zu gewährleisten. Ein Zinsanstieg würde die Inflation noch mehr in den negativen Bereich pushen und könnte zusätzlich die Wirtschaft in eine Rezession stürzen. Das wird Mario Draghi nicht riskieren.

Massnahmen der SNB: Negativzins wird beibehalten oder sogar reduziert.

Die Chancen, dass Thomas Jordan am 17. März - dem Termin des nächsten SNB-Zinsentscheides - eine Erhöhung der Negativzinsen auf minus 1,00 oder gar minus 1,25 Prozent von aktuell minus 0,75 Prozent ankündigen wird, liegen also bei geschätzten 25 Prozent. Aber ob eine Erhöhung der SNB-Strafzinsen und ob Negativzinsen überhaupt eine Wirkung haben, ist Gegenstand von Diskussionen, seit die Negativzinsen zum ersten Mal eingeführt wurden.