cash: Die Schweizerische Nationalbank hat an den Märkten offenbar interveniert, um den Frankenabzuschwächen. Haben Sie damit gerechnet?

Daniel Kalt: Wir haben schon gedacht, dass die SNB eingreifen könnte, falls der Franken nach der dramatischen Eskalationen unter Aufwertungsdruck kommen sollte. Offenbar war das in der Nacht auf Monatg der Fall. Wir denken, dass die SNB eine implizite Grenze hat, wo sie weiterhin intervenieren wird, zumindest bis zum Referendum am Sonntag. Diese Grenze liegt bei einem Euro-Franken-Kurs zwischen 1,025 und 1,03. Ende April hat sie in dieser Region ja schon einmal eingegriffen.

Glauben Sie, dass es zu einem 'Grexit' kommen wird?

Das wahrscheinlichste Szenario ist nach wie vor, dass Griechenland im Euro verbleibt. Man wird weiterhin im Hintergrund fieberhaft an einer möglichen Lösung arbeiten und verhandeln. Eine Lösung ist immer noch möglich, aber die politische Situation ist völlig offen. Es ist unklar, was beim Referendum herauskommt. Denn man fragt sich, wie die Griechen auf die an der Urne gestellte Frage reagieren werden. Ob allen klar ist, dass ein Nein zu den Austeritätsplänen gleichzeitig eine Absage an die Euro-Zone bedeutet, bleibt dahingestellt.

Wie könnte Griechenland trotz Zahlungsunfähigkeit in der Euro-Zone bleiben?

Man müsste Griechenland noch einmal das bestehende Programm um ein paar Monate verlängern. Um dann in Ruhe ein weiteres zwei- bis dreijähriges Folgeprogramm auszuhandeln. Wenn das griechische Volk ganz klar bekräftigt, weitere Austeritätsmassnahmen zu tragen, könnten die Gläubiger dem Land mehr Zeit einräumen. Möglicherweise muss man dann aber mit einer neuen Regierung verhandeln. Denn ob sich die jetzige Führung wird halten können, ist ebenfalls völlig offen.

Wird die SNB die Negativzinsen erhöhen, um den Franken zu schwächen?

In den nächsten Tagen und eventuell Wochen wird die SNB das bestehende Instrumentarium nutzen. Das heisst, direkte Interventionen am Devisenmarkt ohne Bekanntgabe einer expliziten Untergrenze. Wenn der Druck allerdings noch viel stärker wird, ist ein tieferer Griff in den Giftschrank durchaus denkbar. Das könnte bedeuten, dass sie die Zinsen weiter in den negativen Bereich drückt. Gleichzeitig würde das bedeuten, dass man die Bargeldbezüge in der Schweiz einschränken müsste. Ansonsten besteht die Gefahr, dass die Leute Bargeld im grossen Stil abheben. Das wäre eine dramatische Eskalation.

Kapitalverkehrskontrollen sind also kein unmittelbares, aber ein denkbares Szenario?

Wir erwarten es nicht, weil wir von einer Lösung in letzter Sekunde ausgehen. Wenn es aber zu einem chaotischen 'Grexit' kommt und sich der Franken stark aufwertet, kann man es nicht ausschliessen. Das wäre eine Art Kapitalverkehrskontrolle, um das Halten von Bargeld zu verteuern.

Das Interview mit Daniel Kalt fand am Rande des Swiss International Finance Forum in Bern statt.