Der Rücktritt von Occhiello am (gestrigen) Mittwoch löste bereits einen Kursrutsch bei der Aktie des Chemieunternehmens aus. Die Aktie schloss mit einem Minus von 1,2 Prozent. Ochiello war nur elf Monate auf dem Chefposten gewesen. Nun fällt der Kurs um fast 10 Prozent. Seit einem Mehrjahreshoch im Januar 2018 ist der Kurs der Aktie um fast ein Drittel gefallen.

Mit dem nun vorgestellten Halbjahresergebnis ist etwas mehr Licht in die Umstände gekommen, unter denen Occhiello das Handtuch warf. Clariant hat unter anderem mitgeteilt, dass Gespräche zur Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens mit Saudi Basic Industries beziehungsweise Sabic ausgesetzt worden seien. 

Der Kurs der Clariant-Aktie in den vergangenen 24 Monaten (Grafik: cash.ch)

Sabic ist Geschäftspartner und Grossaktionär von Clariant zugleich. Die Saudis halten derzeit 24,99 Prozent am Unternehmen. CEO Ochiello war vergangenes Jahr berufen wurden, nachdem der saudi-arabische Petrochemiekonzern Sabic bei Clariant zum Grossaktionär aufgestiegen war. 2018 hatte die aktivistische Anlagegesellschaft White Tale versucht, bei Clariant massgeblichen Einfluss zu gewinnen. Zuvor hatte White Tale eine Fusion mit der US-Firma Huntsman verhindert. Sabic trat als "weisser Ritter" auf, um Clariant vor dem Einfluss anderer Aktionäre zu bewahren. 

Mittlerweise tun sich offensichtlich auch Gräben zwischen Sabic und dem Clariant-Management auf. Der Abgang von Occhiello, dessen Posten interimistisch vom Clariant-Verwaltungsratspräsident und ehemaligem CEO Hariolf Kottmann übernommen wird, spricht dafür. Clariant begründete den Schritt am Donnerstag mit den aktuellen Marktbedingungen.

Sabic erklärte, die Gespräche würden wieder aufgenommen, sobald sich das Umfeld aufhelle. Tatsächlich wird hinter dem Konflikt aber eine Auseinandersetzung zwischen Teilen des Managements unter Kottmann und den Saudi-Investoren vermutet. 

Wachstumsrückschlag für Clariant

Der vorerst geplatzte Deal ist ein Wachstumsrückschlag für Clariant. Clariant und der saudiarabische Petrochemiekonzern hatten im September vereinbart, dass Sabic dem Chemieunternehmen mit Sitz in Muttenz BL bis Ende 2019 Geschäfte mit einem Umsatz von rund zwei Milliarden Franken überträgt. Diese sollen in eine Geschäftseinheit eingehen, die Hochleistungskunststoffe etwa für die Automobil-, Luftfahrt-, Elektronik- und Robotik-Branche herstellt.

Daraus wird nun vorerst wohl nichts. Analysten urteilen negativ über die Entwicklung. Aus Sicht der Bank Vontobel ist Clariant ein weiterhin ein "Restrukturierungsfall". Der Broker Baader Helvea erwartet, dass Sabic eine Übernahme von Clariant anstreben wird. Denn immerhin hätten die Saudis inzwischen zehn Monate Zeit gehabt, die Bücher von Clariant zu durchleuchten.

Analyst Markus Mayer urteilt über die heutigen Mitteilungen insgesamt hart: "What a mess!" Der überraschende Abgang des Konzernchefs am Vortag und der Halt der Verhandlungen mit Sabic hätten ihn "geschockt" - zudem seien die Zweitquartalszahlen "eine Katastrophe."

Hoher Verlust im Halbjahr

Der Zwist mit Sabic ist nicht das einzige Problem bei Clariant. Im ersten Halbjahr verbuchte Clariant einen Verlust von 101 Millionen Franken nach einem Gewinn von 211 Millionen in der Vorjahresperiode. Neben Kosten für die Ausgliederung von Aktivitäten machte der Konzern dafür Rückstellungen für eine laufende wettbewerbsrechtliche Untersuchung der EU-Kommission in Bezug auf den Beschaffungsmarkt für Ethylen verantwortlich. 

Für den Broker Kepler Cheuvreux, der für Clariant ein "Buy"-Rating beibehält, gibt es aber auch Good News. Das Management wolle die Abteilungen Pigments und Masterbatches in der Plastik-Division abstossen. Masterbatches sind Farbkonzentrate für Kunststoffe. "Dies ergibt mehr Sinn als also der komplizierte, auf Gegenleistungen basierende Deal mit dem Grossaktionär Sabic", schreibt Kepler.

Ziel des seit Jahren andauernden Umbauprozesses bei Clariant ist weiterhin, in Geschäftsbereiche vorzustossen, die höhere Margen und mehr Wachstum versprechen und die weniger von Wachstumszyklen der Wirtschaft abhängig sind.

Mit Material der Nachrichtenagenturen Reuters und AWP.