"Ende 2020 sehe ich den Wechselkurs bei 1,06" sagte Neff in einem Videointerview mit der Nachrichtenagentur AWP. Er erwartet aber eine langsame Aufwertung ohne heftige Ausschläge. "Was wir jetzt prognostizieren ist fundamental begründet, über Leitungsbilanzüberschüsse und Überlegungen zur Kaufkraftparität." Zudem zögen Schweizer Portfolioinvestoren Mittel aus dem Ausland ab und investierten wieder stärker in der Schweiz. 

In den vergangenen Tagen hat sich der Euro indessen aufgewertet und liegt nun über der Marke von 1,10. Raiffeisen-Chefprognostiker Neff gehört aber zu den Experten, die schon seit Monaten eine Aufwertung voraussagen. In einem Interview mit cash.ch sagte Neff vergangenen Juni, es könne innerhalb von 24 Monaten gar zu Parität Euro-Franken kommen. 

Das Bruttoinlandprodukt (BIP) dürfte im 2020 nach Ansicht der Ökonomen von Raiffeisen um 1,3 Prozent wachsen und damit nur wenig stärker zulegen als im laufenden Jahr. Für das laufende Jahr hatte Raiffeisen die Prognose nach den BIP-Zahlen zum zweiten Quartal auf 1,0 Prozent gesenkt. Zuvor war die Bank von einem Plus von 1,2 Prozent ausgegangen.

Gegenwind aus Europa

Gegenwind komme aus Europa, teilten die Experten am Mittwoch vor den Medien in Zürich mit. Vor allem Deutschland mit seiner angeschlagenen Konjunktur sei der Bremsklotz. Obwohl die Abhängigkeit von Deutschland kontinuierlich abgenommen habe, hänge die Schweizer Wirtschaft immer noch stark am Tropf des grossen Nachbarn. "Wir sehen das an den Einkaufsmanagerindices, die faktisch parallel im Sinkflug sind." 

Umso wichtiger sei aktuell die Entwicklung im wichtigen Absatzgebiet USA. Zwar zeichne sich dort eine leichte Konjunkturabkühlung ab, doch von einem Abschwung in den USA gehe Raiffeisen nicht aus. "Die Sorgen in den USA sind eher politischer denn wirtschaftlicher Natur", sagte Chefökonom Neff.

Neben den innenpolitischen Eskapaden des US-Präsidenten dürfte der anstehende Wahlkampf für weitere Unruhe sorgen. Trump werde aus wahltaktischen Überlegungen bemüht bleiben, die Wirtschaft in Fahrt zu halten. Das werde jedoch immer schwieriger, da Budgetdefizit und Staatsschulden zunehmend aus dem Ruder liefen.

Auch andere Industrieländer schwächeln

Neben Deutschland und den USA neigen auch die anderen hochindustrialisierten Länder zu konjunktureller Schwäche. "Weder von der Eurozone noch von Japan werden 2020 namhafte Wachstumsimpulse auf die Weltwirtschaft ausgehen und auch die Konjunkturdynamik wird sich im Vergleich zum Vorjahr deutlich abschwächen", erklärte Raiffeisen.

Zudem werde die chinesische Wirtschaftsleistung 2020 erstmals seit fast 30 Jahren um weniger als 6 Prozent wachsen, wodurch auch der chinesische Beitrag zum globalen Weltwirtschaftswachstum sinke. Der Handelskonflikt mit den USA hinterlässt allmählich seine Spuren. Die Exporte Chinas in die USA seien aktuell um gut 10 Prozent geschrumpft.

(cash/AWP)