Lange Zeit dümpelte die Aktie von OC Oerlikon vor sich hin. Blickt man schon nur drei Jahre zurück, kommt bei Aktionären bestimmt keine Freude auf, lag der Börsenwert doch damals 20 Prozent höher. Ganz zu schweigen von den Notierungen vor fast genau zehn Jahren. Im Frühjahr 2007 war die Aktie zehn Mal mehr wert als heute, danach kamen eine Sanierung und eine Kapitalspritze.

Auch über weite Strecken des vergangenen Börsenjahres konnte der Industriekonzern nicht überzeugen. Doch in jüngster Zeit, genauer seit Anfang November, zeigt der Aktienkurs steil nach oben - rund 30 Prozent beträgt der Zugewinn, während der breite Aktienmarkt in diesem Zeitraum bloss auf ein Plus von 7 Prozent kommt, wie der folgende Chart zeigt:

Deutliche Outperformance in den letzten 12 Monaten: die Oerlikon-Aktie (rot) im Vergleich mit dem Swiss Performane Index (grün), Quelle: cash.ch

Das erstaunt auf den ersten Blick, legte OC Oerlikon am 2. November doch Drittquartalszahlen vor, welche die Markterwartungen teilweise klar unterschritten. Immerhin bekräftigte das Unternehmen den Ausblick für das Gesamtjahr. Allerdings mit dem Kommentar des Finanzchefs Jürg Fedier: "Wir sind uns darüber bewusst, dass eine positive Entwicklung im vierten Quartal nötig ist, um die Guidance zu erreichen".

Noch dauert es rund einen Monat bis Anleger Klarheit haben über die Unternehmenszahlen des Gesamtjahres. Doch die erwähnten Kursavancen dürften im Zusammenhang mit einer längerfristigen Perspektive stehen. Denn Oerlikon befindet sich in einer entscheidenden Umbauphase. 

Oberfläche ja, Getriebesysteme nein

Im Fokus steht dabei das Bestreben, ein führender Anbieter im Bereich Oberflächenbeschichtung (Surface Solutions) zu werden. Gerade in Kombination mit 3-D-Drucktechnologien wird diesbezüglich attraktives Wachstum erwartet.

Daneben ist OC Oerlikon derzeit noch in den  Bereichen Kunstfasern (Manmade Fibers) und Getriebssysteme (Segment Drive Systems) tätig. Doch das Oberflächen-Segment ist mit rund 55 Prozent Umsatzanteil nicht nur das grösste. Es steuerte zuletzt 91 Prozent des Ebitda bei und ist somit auch mit Abstand das profitabelste.

Mit gezielten Übernahmen dürfte das Oerlikon-Management das Oberflächen-Segment weiter stärken. Ein grosser Schritt vorwärts wäre dabei die Grossübernahme des Oberflächentechnologiegeschäfts Praxair. Dank eines erst kürzlich verlängerten Syndikatskredits verfügt das Unternehmen zumindest über die finanziellen Möglichkeiten dazu.

Zur Oerlikon-Turnarond-Fantasie gehört auch der baldige Verkauf der Getriebesysteme. "Dieses Segment gehört nicht zum Kern-Portfolio von Oerlikon", schrieben die Analysten der Credit Suisse vor kurzem in einer Studie. Marktbeobachter rechnen mit einem Verkaufspreis von 300-500 Millionen Franken. So könnte 2017 für Oerlikon nicht nur das Jahr der grossen Veränderungen, sondern auch das Jahr der Rückkehr in die Gewinnzone werden.

Häufige Rochaden als Negativpunkt

Auf der Negativseite der Oerlikon-Aktie stehen hingegen die häufigen Rochaden und Abgänge in der Führungsmannschaft. Grossaktionär Viktor Vekselberg stösst gerne und häufig Veränderungen im Management an. Der überaschende Abgang von CEO Brice Koch Anfang März 2016 war so ein Beispiel. Vertrauen in ein Management, das für langfristige Ziele einsteht, kann so nur schwerlich aufgebaut werden.

Unabhängig davon, aber ebenfalls für negative Schlagzeilen sorgte jüngst der überraschende Rücktritt des Verwaltungsrats Hans Ziegler. Die Schweizer Finanzmarktaufsicht Finma hatte bei der Bundesanwaltschaft eine Strafanzeige wegen Verdachts auf Insiderhandel eingereicht. Ziegler trat auch von seinen Mandaten bei Schmolz+Bickenbach und Kuka zurück. Laut Unternehmensaussagen stehen die Untersuchungen nicht im Zusammenhang mit OC Oerlikon. 

Was die weitere Entwicklung der Aktie von OC Oerlikon angeht, sind die Experten geteilter Meinung. Laut Angaben der Nachrichtenagentur AWP empfehlen derzeit vier Analysten die Aktie zum Kauf, sechs raten hingegen zum Halten. Dies bei einem durchschnittlichen Kursziel von 10,40 Franken – am Montagabend steht der Titel bei 11 Franken. Das ist ein zusätzliches Argument, dass nach dem steilen Anstieg der letzten Wochen – zumindest kurzfristig – mit Korrekturen gerechnet werden muss. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis von 28 für 2016 sollte Anleger ebenfalls zur Vorsicht mahnen.