Auf den ersten Blick haben Geschäftsleute wie Bernard Arnault und Bill Ackman sowie Sportler wie Tom Brady und Michael Jordan nicht viel gemeinsam, von dicken Bankkonten mal abgesehen. Doch wie so oft täuscht der erste Eindruck. Denn alle vier Promis haben kürzlich in den boomenden Markt für Secondhand-Uhren investiert. Genauer: Sie haben sich finanziell bei Unternehmen engagiert, die mit Secondhand-Uhren handeln.

Jüngst machte eine Investitionsrunde über 165 Millionen Dollar des US-Unternehmens Watchbox weit über die Uhrenszene hinaus Schlagzeilen. Erstens, weil Watchbox damit auf eine Bewertung von fast 1 Milliarde Dollar kommt und sich nach der Gründung 2017 bereits dem Unicorn-Status annähert. Einhörer werden private Unternehmen genannt, die mit 1 Milliarde Dollar und mehr bewertet werden. Und zweitens sorgte die Finanzierungsrunde für Aufsehen, weil eben eine ganze Reihe von prominenten Investoren dabei waren.

Kunden werden zu Investoren

Hierzulande am bekanntesten sind sicherlich die Wall-Street-Legende Bill Ackman, Gründer und Chef von Pershing Square Capital, und der Basketball-Superstar Michael Jordan, der mittlerweile ein vielseitig engagierter Geschäftsmann ist und unter anderem bei der Schweizer Sportradar investiert ist. Doch auch Namen von Sportlern und Sportmanagern wie Giannis Antetokounmpo, Marc Lasry, Chris Paul und Devin Booker lassen zumindest in den USA aufhorchen.

«Viele der Personen auf dieser Liste sind Kunden von uns, sie haben also authentische Beziehungen», sagte Watchbox-Chef Justin Reis gegenüber dem Börsenportal CNBC zu seinen neuen Investoren. «Sie werden uns beim Auf- und Ausbau des Unternehmens helfen.»

Und das ist dringend nötig. Denn klar ist: Das Geschäft mit Secondhand-Uhren boomt, genau wie die entsprechenden Handelsplattformen. Das Beratungsunternehmen McKinsey schätzt, dass der Umsatz mit gebrauchten Uhren im Jahr 2019 rund 18 Milliarden Dollar erreicht hat und bis 2025 auf 32 Milliarden Dollar ansteigen könnte. Damit dürfte der Markt für gebrauchte Uhren bis 2025 etwa die Hälfte des Marktes für neue Uhren im Detailhandel ausmachen. Heute liegt dieser Wert bei rund einem Drittel.

Allerdings ist das Geschäft auch heiss umkämpft: Neben Watchbox tummeln sich unzählige grosse und kleine Unternehmen in dem Markt, etwa die Richemont-Tochter Watchfinder, die Schweizer IPO-Kandidatin Chronext oder die deutsche Vermittlungsplattform Chrono24. Hinzu kommen etablierte Uhrenhändler wie Bucherer oder Les Ambassadeurs, der kürzlich die deutschen Online-Plattform Montredo übernommen und deren Gründer gleich zum Chef des ganzen Unternehmens gemacht hat. Wichtige Player im Secondhand-Markt sind aber auch Online-Giganten wie Ebay aus den USA oder die japanische Rakuten sowie zahllose kleine lokale Händler, die entweder stationär oder im Netz nach Kunden suchen.

Was das Business in dem Markt neben der grossen Konkurrenz ausserdem erschwert, ist, dass alle Plattformen weltweit nach den gleichen Uhren suchen, um sie zu verkaufen. Denn es sind nur wenige, ausgesuchte Modelle von Marken wie Patek Philippe, Rolex, Audemars Piguet, Cartier, Omega und – seit kurzem – Vacheron Constantin, die das Geschäft befeuern.

Ein Beispiel: Patek Philippe stellte kürzlich die letzte Ausführung der Nautilus mit Tiffany-blauem Zifferblatt vor, die in Zusammenarbeit mit dem Juwelier entstanden ist. Sie wird absehbar zu jenen Uhren gehören, die auf dem Occasionsmarkt Höchstpreise erzielen wird. Wer eine oder mehrere der nur 170 Exemplare dieser speziellen Uhr anbieten kann, wird sich auf satte Umsätze freuen dürfen.

Differenzierte Geschäftsmodelle

Deshalb könnte es sich durchaus auszahlen, dass ein Investor wie American-Football-Superstar Tom Brady auf das etwas andere Geschäftsmodell der Uhrenplattform Hodinkee setzt. Hodinkee ist in erster Linie ein Online-Magazin für Uhrenliebhaber von New York bis Singapur. Das Unternehmen lebt von journalistischen Berichten, Videos und Podcasts über Uhren, Uhrensammler und andere Dinge, die Uhrenliebhaber ebenfalls interessieren.

Das Unternehmen hat es innert weniger Jahre geschafft, sich als erste Adresse für die internationale Uhren-Community zu etablieren. Und macht regelmässig mit Kollaborationen mit grossen (Schweizer) Uhrenmarken auf sich aufmerksam, mit Uhren, die es ausschliesslich im Hodinkee-Online-Shop zu kaufen gibt. Erst vor wenigen Monaten, konkret im vergangenen Oktober, ist die Firma auch ins Geschäft mit Secondhand-Uhren eingestiegen. Alle angebotenen Modelle werden, genau wie die Neuerscheinungen der grossen Marken, mit viel Liebe und Detailkenntnis beschrieben und angepriesen.

Auch das Geschäftsmodell von Chrono24 setzt sich ab vom Rest der Anbieter. Das deutsche Unternehmen agiert als blosser Vermittler zwischen Privaten oder zwischen Händlern und Privaten. Es hat kein Inventar an eigens aufgekauften Uhren, sichert aber die Geschäfte auf seiner Plattform finanziell ab und hat als Peer-to-Peer-Plattform ein aktuell konkurrenzlos grosses Angebot. Das scheint unter anderem den wichtigsten Mann der Luxusbranche, LVMH-Mastermind Bernard Arnault, überzeugt zu haben. Über sein Startup-Vehikel Aglaé Ventures ist Arnault an Chrono24 beteiligt.

 

 
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Dieser Artikel erschien zuerst im Digitalangebot der "Handelszeitung" unter dem Titel: "Das neue Uhren-Hobby der Reichen"

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