Die Nachricht des sofortigen Angangs von Oerlikon-Chef Michael Buscher Mitte März überraschte die Anleger. Die Titel des Technologiekonzerns verloren damals in einem allgemein festeren Markt 2 Prozent. Doch dies war nur der Anfang einer nun seit Wochen andauernden Rutschfahrt.

Die Aktie büsste innerhalb eines Monats über 11 Prozent ein und reiht sich mit dieser Minusperformance weit unten in der SPI-Rangliste ein. Und auch am letzten Freitag verlor die Aktie erneut deutlich mehr als der Gesamtmarkt nachgab.

"Der Kursrückgang der Oerlikon-Titel ist übertrieben", sagt Armin Rechberger, Analyst bei der Zürcher Kantonalbank (ZKB), auf Anfrage von cash. Auch Michael Foeth, Analyst bei der Bank Vontobel, erachtet den Kursrutsch für zu heftig. Laut den beiden Analysten spiegle der Kursverlauf der Oerlikon-Aktie die Spekulationen rund um den überraschenden Abgang von Buscher wieder. "Anleger fürchten vermutlich, dass mehr hinter dem abrupten Abgang stecken könnte", so Rechberger.

Erneut Unruhe im Konzern

Es erstaunt nicht, dass Anleger auf überraschende Veränderungen im Oerlikon-Konzern sensibel reagieren. Im Frühjahr 2010 stand das Unternehmen vor dem finanziellen Kollaps und konnte nur durch einen massiven Forderungsverzicht der Banken sowie eines Aderlasses der Investoren, allen voran Viktor Vekselberg, gerettet werden.  Doch gerade der russische Investor und Multimilliardär, der aktuell fast die Hälfte der OC-Oerlikon-Aktien kontrolliert, sorgt erneut für Unruhe im Konzern.

So wird spekuliert, dass Unstimmigkeiten zwischen Vekselberg und Buscher zum abrupten Abgang des ex-Oerlikon-CEO führten. Laut Finanzchef und Interims-CEO Jürg Fedier ist Buscher aber aus persönlichen Gründen vom Amt zurückgetreten und nicht aufgrund strategischer Differenzen im Management, dem Verwaltungsrat oder mit Vekselberg persönlich. Deshalb gebe es in der strategischen Ausrichtung des Konzerns keinen Anpassungsbedarf, so seine Erklärung zum Abgang Buschers.  

Diese Beteuerungen vermochten die Aktionäre bislang nicht zu beruhigen. Sie wünschen sich endlich mehr Klarheit sowie die Ernennung eines neuen CEO. Mit einer schnellen Besetzung ist indes nicht zu rechnen: "Wir nehmen uns die notwendige Zeit, um den bestmöglich geeigneten Kandidaten zu identifizieren und für Oerlikon zu engagieren", sagt Oerlikon-Sprecher Burkhard Böndel auf Anfrage von cash.

Einstiegschancen für «Risk-Taker»

Mehr Licht ins Dunkle könnte die Publikation der Erstquartalszahlen am 7. Mai bringen. „Ich gehe stark davon aus, dass sich bezüglich der Fortführung der bisherigen Strategie nicht viel ändert", sagt Rechberger, und auch bezüglich der Zahlen erwartet er keine negativen Überraschungen. Oerlikon wird die Ergebnisse bis auf Stufe Ebit bekannt geben.

Unter Buscher konnte der Technologiekonzern die Margen deutlich verbessern. Die Eigenkapitalquote stieg von 35 auf 45 Prozent an und die Nettoliquidität erreichte 339 Millionen nach einer Verschuldung von 86 Millionen im Vorjahr. Zudem ist die Cash-Schatulle stattlich gefüllt und wird mit dem Verkauf des Naturfaser- und Komponentengeschäfts auf rund eine Milliarde Franken anwachsen. Aller Voraussicht nach fliesst das Geld aus dem Verkauf im zweiten Quartal dieses Jahres.

Erwartet werden Zukäufe in den Sparten Beschichtung und Vakuum. Im Markt kursieren Gerüchte, dass die Beschichtungssparten von Sulzer und Oerlikon – beide haben mit Vekselberg den gleichen Hauptaktionär – zusammengeführt werden könnten. Im Vakuum-Bereich wären die ehemaligen Oerlikon-Töchter Pfeiffer-Vakuum und Inficon mögliche Kandidaten.

Für risikobewusste Anleger bieten die Titel von Oerlikon auf diesem Kursniveau Einstiegschancen. Praktisch alle Analystenhäuser inklusive ZKB und Vontobel empfehlen die Aktie weiterhin zum Kauf. Vontobel veranschlagt das Kursziel bei 14,50 Franken. Aktuell notieren die Papiere bei gut 10 Franken. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis ist mit knapp 13 relativ günstig.