"Es ist schon verrückt. Im Moment verkaufe ich an den Wochenenden mehr Kalbshaxen als Würste". Das sagt ein Luzerner Metzger aus dem Kleinstadt-Quartier kürzlich einem Kunden, der das Kalbsprodukt verlangte. Dieses geht in der Regel viel seltener über die Theke als Wurstwaren, die einiges teurer und aufwändiger in der Zubereitung sind. Der Metzger bleibt wie viele andere Schweizer Wurstverarbeiter auf den Charcuterieprodukten sitzen. 

Die Schweiz wartet seit Wochen auf warme Tage und muss sich stattdessen mit nasskaltem Wetter abfinden. Dementsprechend selten greifen die Konsumenten zu Wurstwaren. Grill-Aficionados üben sich in Kurzarbeit.

Messbar ist die Wetter- und Wurstmisere auch am Aktienkurs des Basler Fleischverarbeiters Bell, die Nummer Eins der Schweizer Fleischbranche, die zu zwei Dritteln dem Coop-Konzern gehört. Die Bell-Aktie sank in den letzten acht Handelstagen um zeitweise bis fünf Prozent, während sich der Swiss Performance Index in diesem Zeitraum praktisch unverändert entwickelte. Am Montag erreichte die Bell-Aktie mit 2155 Franken zeitweise gar den tiefsten Stand seit Mitte Februar. Anfang März war die Aktie auf ein Allzeithoch von 2299 Franken geklettert.

70 Prozent des Umsatz in der Schweiz

René Weber, bei der Bank Vontobel für die Analyse der Bell-Aktie zuständig, ist der Zusammenhang zwischen dem Wetter und dem Bell-Aktienkurs auch aufgefallen: "Das schlechte Wetter hat einen negativen Einfluss auf das Geschäft von Bell, da die Grillsaison noch nicht richtig gestartet werden konnte. Davon ist auch der Aktienkurs betroffen."

Das Geschäft mit Charcuterie ist unverzichtbar für Bell. Es hatte 2012 einen Anteil von 45 Prozent am Gesamtumsatz. Bell startete 2008 die Expansion ins europäische Ausland, dennoch kommen noch immer rund 70 Prozent des Umsatz vom Heimmarkt Schweiz. Das Auslandgeschäft soll laut Analysten in diesem Jahr aus dem roten Zahlen kommen.

Auch Frisco leidet

Die Bell-Aktie war Mitte Februar, nach Bekanntgabe der Gewinnzahlen für das Geschäftsjahr 2012, um zehn Prozent auf ein Allzeithoch von 2299 Franken geklettert. Dieser Gewinn ist nun durch das miese Wetter sprichwörtlich wieder weggespült worden. Wie sich das schlechte Wetter auf den Umsatz auswirkte, gibt Bell anlässlich der Jahreszahlen am 15. August bekannt.

Die Aktie von Bell ist laut Sarasin-Analyst Patrick Hasenböhler trotz des Anstiegs von rund 25 Prozent seit Anfang 2012 noch immer ein "Kauf" - dies vor allem wegen der Aussicht, dass Bell im Ausland bald aus den roten Zahlen kommen sollte, und aus Bewertungsgründen. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis für 2013 liegt bei 12.

Laut Vontobel-Analyst Weber merkt übrigens auch der Glacéhersteller Frisco die fehlende Hitze: "Es ist ein negativer Effekt feststellbar". Frisco gehört zur Nestlé-Gruppe und hat daher einen geringen Einfluss auf den Umsatz des Nahrungsmittel-Multis. Dementsprechend ist das harzige Glacégeschäft nicht am Nestlé-Aktienkurs ablesbar.