Die Credit Suisse teilte in der Nacht auf Karfreitag überraschend mit, dass die Konzernleitung um Tidjane Thiam auf 40 Prozent der Boni "freiwillig" verzichtet – dies zwei Wochen vor der Generalversammlung (GV) am 28. April. Laut dem Stimmrechtsberater Ethos ist ein Zeichen dafür, dass die Geschäftsleitung unter CEO Tijane Thiam kalte Füsse bekam. Es scheint, als hätten die zwölf Vertreter der Konzernleitung realisiert, dass die Boni von den Aktionären abgelehnt werden könnten: "Besser 40 Prozent weniger als keinen einzigen Franken", sagte Kaufmann der "Sonntagszeitung".

Zuvor war die Kritik an den Manager-Boni der Credit Suisse fast täglich gestiegen. Auch die einflussreichen US-Stimmrechtsberater ISS und Glass Lewis sprachen sich wie Ethos gegen die variable Vergütung der Geschäftsleitung aus. Einen Warnschuss erhielt bereits ABB an der GV vom letzten Donnerstag. Nur 59 Prozent der Aktionäre stimmen dem Vergütungsbericht zu.

Ethos will in dieser Woche entscheiden, ob die Opposition gegen die Top-Vergütungen der Credit Suisse beibehalten wird. Ethos stellt sich aber nach wie vor gegen eine Wiederwahl von VR-Präsident Urs Rohner sowie von Vizepräsident Richard Thornburgh, wie am Wochenende bekannt wurde.

Im Interview mit cash.ch, das am letzten Donnerstag vor dem Bonus-Teilverzicht durch das CS-Management geführt wurde und leicht aktualisiert wurde, erläutert Ethos-Geschäftsführer Vincent Kaufmann die Gründe für eine Abwahl von Urs Rohner und was die Minder-Initiative gebracht hat.

cash: Herr Kaufmann, Sie fordern die Absetzung des CS-Verwaltungsratspräsidenten Urs Rohner. Trägt er Schuld an den hohen CS-Boni?

Vincent Kaufmann: Teilweise. Es gibt zwar den Vergütungsausschuss, welcher Empfehlungen abgibt. Aber schlussendlich wird die Höhe der Vergütungen auf Verwaltungsratsebene entschieden. Eine besondere Rolle nimmt dabei natürlich der Verwaltungsratspräsident ein. Aber die hohen Löhne sind nicht der Hauptgrund, weshalb wir den Aktionären empfehlen, die Wiederwahl von Urs Rohner als Verwaltungsratspräsidenten abzulehnen.

Was ist denn der Hauptgrund?

Die Leute müssen das Vertrauen in die Credit Suisse zurückgewinnen. 2015 entschied man sich für eine neue Strategie, welche das neue Management jetzt durchführen muss. Doch der Verwaltungsrat zweifelt nun plötzlich am Börsengang der Schweizer Division. Für uns fehlt eine klare Strategie.

Hat Rohner als Verwaltungsratspräsident versagt?

Die Bilanz seit seinem Amtsantritt 2011 sieht nicht sehr positiv aus. Der Aktienkurs hat sich in dieser Zeit halbiert und in der Schweiz hat die Credit Suisse seither 20 Prozent weniger Arbeitsplätze. Für die Zukunft fordern wir eine neue und klare Strategie. Um diese umsetzen zu können, braucht es ein neues Gesicht.

In der Vergangenheit haben Aktionäre bereits Vergütungsberichte von Schweizer Firmen abgelehnt. Konkret war dies 2013 bei Julius Bär sowie Actelion der Fall und 2016 bei Swiss Prime Site. Hat dies bei den Firmen etwas bewirkt?

Die Abstimmungen waren alle konsultativ, also nicht bindend. Aber in allen drei Fällen gab es Verbesserungen. Swiss Prime Site hat in diesem Jahr einen neuen CEO mit einem viel tieferen Grundsalär, gleichzeitig ist der Vergütungsbericht transparenter geworden. Nach der Ablehnung waren wir in Kontakt mit dem Unternehmen und führten gute Diskussionen. Es war sehr konstruktiv. Das zeigt, dass auch mit konsultativen Abstimmungen etwas verändert werden kann. Allerdings geschieht dies erst in den Folgejahren.

Bei Julius Bär und Actelion lehnen Sie in diesem Jahr den Vergütungsbericht erneut ab. Hat sich nichts verbessert?

Doch. Das Vergütungssystem hat sich bezüglich Struktur und Transparenz verbessert. Es geht in die richtige Richtung. Die absoluten Vergütungen sind bei beiden jedoch noch immer zu hoch.

Bei welchen Schweizer Firmen sind Sie in diesem Jahr neben der CS besonders kritisch eingestellt bezüglich der Vergütung?

Beim Reise-Detailhändler Dufry finden wir die Höhe der Vergütung des Verwaltungsratspräsidenten sowie des CEO viel zu hoch. Auch bei Roche und Novartis lehnen wir die Vergütungsberichte ab. Insbesondere bei Roche ist die Transparenz ungenügend. Die Vergütung von Roche-CEO Severin Schwan ist im Bericht mit dem Steuerwert angegeben und nicht mit dem aktuellen Wert der Aktien, so dass sein Lohn viel tiefer dargestellt wird, als er eigentlich ist.

Hat schlussendlich die Minder-Initiative eine Verbesserung gebracht?

Ja, die Aktionäre besitzen neue Rechte. Aber diese müssen natürlich auch wahrgenommen werden, um etwas zu bewirken. Und in diesem Jahr spüren wir, dass die Aktionäre viel kritischer geworden sind. Der Druck auf die Verwaltungsräte ist grösser geworden. Wir sehen auch Verbesserungen bei den Vergütungssystemen, die grossen Exzesse bleiben aus. Es gibt keine 40 Millionen Franken Vergütung mehr wie damals beim früheren Novartis-CEO Daniel Vasella.