"Dieses Abkommen ist nicht tot", sagte der französische Aussenminister Jean-Yves Le Drian am Mittwoch dem Hörfunksender RTL. Präsident Emmanuel Macron werde noch im Lauf des Tages mit seinem iranischen Kollegen Hassan Ruhani sprechen. Nächste Woche, womöglich am Montag, werde es ein Treffen zwischen Iran, Frankreich, Deutschland und Grossbritannien geben. Auch China will nach Angaben des Aussenministeriums an dem Abkommen festhalten. Aus dem Iran kamen kritische Töne. Der Chef der einflussreichen Revolutionsgarden, Mohammed Ali Dschafari, sagte, die Europäer seien an die USA gebunden und nicht frei in ihrer Entscheidung.

US-Präsident Donald Trump hatte am Dienstag das Abkommen von 2015 aufgekündigt, neue Iran-Sanktionen beschlossen und weltweit Kritik sowie Furcht vor einer atomaren Aufrüstung im Nahen Osten ausgelöst. Der Ölpreis stieg, die Börsen in Asien und zum Teil in Europa gaben nach. Deutschland, Grossbritannien und Frankreich riefen die USA unmittelbar nach Bekanntgabe der Entscheidung in einer gemeinsamen Erklärung auf, nichts zu unternehmen, was eine Umsetzung des Abkommens durch die anderen Staaten verhindern werde.

Der französische Aussenminister betonte: "Es gibt einen amerikanischen Rückzug aus dem Vertrag, aber der Vertrag besteht fort." Frankreich sei sich der Besorgnis zum Beispiel über das iranische Raketenprogramm bewusst, sagte Le Drian. Doch damit könne man sich befassen, auch ohne das Atomabkommen aufzukündigen. Zu den Folgen von Trumps Entscheidung sagte Le Drian: "Ja, es gibt ein echtes Risiko einer Konfrontation. Ich hoffe, es wird keinen Rückschlag für den Frieden geben."

Iran: Trump bot eine diplomatische Show

Frieden und Sicherheit seien bedroht, sagte auch der iranische Parlamentspräsident Ali Laridschani und wertete den Ausstieg der USA als Verstoss gegen die Vereinbarung. Die USA würden dadurch isoliert, sagt er einem Bericht des staatlichen Fernsehens zufolge. Trumps Abkehr vom Atomdeal sei "eine diplomatische Show". Der Iran sei angesichts der aktuellen Lage nicht verpflichtet, seine Zusagen einzuhalten. "Ich bin mir nicht sicher, ob die europäischen Unterzeichner des Abkommens ihre Versprechen erfüllen werden." Trump verstehe offensichtlich nur die Sprache der Gewalt. "Trump hat nicht die geistigen Fähigkeiten, sich mit der Frage zu befassen."

Präsident Ruhani hatte umgehend auf Trumps Entscheidung reagiert und den USA vorgeworfen, zu keiner Zeit ihre Verpflichtungen aus dem Abkommen erfüllt zu haben. Sein Land halte an dem Vertrag fest und werde mit den anderen Unterzeichnerstaaten verhandeln. Es stehe aber auch bereit, die Entwicklung von Atomtechnologie nach Gesprächen mit den EU-Vertretern wieder aufzunehmen.

China will Abkommen sichern

Der Unterzeichnerstaat China erklärte, er werde weiterhin das Atomabkommen sichern. Alle wichtigen Parteien seien aufgerufen, sich verantwortungsbewusst zu verhalten, erklärte das Aussenministerium in Peking. China bedauere die Entscheidung der USA. Auch Russland hatte vor Trumps Ankündigung erklärt, an dem Abkommen festhalten zu wollen.

Der Iran hatte das Abkommen 2015 mit den fünf UN-Vetomächten USA, Russland, China, Grossbritannien und Frankreich sowie Deutschland vereinbart. Die Islamische Republik verpflichtete sich darin, auf die Entwicklung von Atomwaffen zu verzichten und die Überprüfung seiner Atomanlagen zu gestatten. Im Gegenzug hoben westliche Staaten Sanktionen gegen das Land auf. Dies hatte auch den Wirtschaftsbeziehungen zwischen Deutschland und dem Iran neue Impulse gegeben.

Nun kündigte das US-Finanzministerium an, die US-Strafmassnahmen gegen den Iran würden nach und nach wieder greifen. Einige würden nach sechs Monaten gelten. Dadurch könnten Rohöl-Lieferungen im Volumen von mehreren Hunderttausend Barrel pro Tag dem Weltmarkt entzogen werden. Der Preis für die Sorte Brent aus der Nordsee stieg darauf um bis zu 2,5 Prozent und war mit 76,75 Dollar je Barrel so hoch wie zuletzt vor dreieinhalb Jahren.

Der neue US-Botschafter in Deutschland, Richard Grenell, schrieb auf Twitter, deutsche Unternehmen sollten unverzüglich ihre Geschäfte mit dem Iran herunterfahren. Unternehmensverbände reagierte mit Unverständnis auf Trumps Entscheidung. "Die deutsche Industrie bedauert den Rückzug der USA aus dem so mühselig und langwierig verhandelten Atomabkommen zutiefst", erklärte BDI-Präsident Dieter Kempf. Für die deutschen Unternehmen sei essenziell, dass die EU jetzt versuche, mit China und Russland gemeinsam ein deutliches Bekenntnis zum Atomabkommen abzugeben.

(Reuters)