In einem ungewöhnlichen Schritt schlossen sich die britischen Rivalen AstraZeneca und GlaxoSmithKline, die US-Unternehmen Johnson & Johnson, Merck & Co, Moderna und Novavax, Sanofi aus Frankreich sowie die Mainzer Firma Biontech und ihr US-Partner Pfizer zusammen und versprachen in einer Erklärung am Dienstag, dass die Sicherheit und Wirksamkeit bei der Entwicklung eines Corona-Impfstoffes an oberster Stelle stehe. Eine Zulassung oder Notfall-Genehmigung werde erst beantragt, wenn dessen Sicherheit und Wirksamkeit in einer entscheidenden Phase-3-Studie nachgewiesen sei, die den üblichen regulatorischen Anforderungen entspreche.

Fieberhafte Suche

Weltweit forscht die Pharmaindustrie fieberhaft an Impfstoffen gegen das neuartige Coronavirus. Die Entwicklung in Rekordzeit sowie die Zulassung eines erstes Impfstoffes in Russland ohne die übliche grosse Wirksamkeitsstudie schüren jedoch Sicherheitsbedenken. "Es herrscht neben dem Druck und der Hoffnung auf einen möglichst schnell verfügbaren Impfstoff auch viel Verunsicherung bei den Menschen, dass hier Schritte bei der Entwicklung ausgelassen werden könnten", sagte Biontech-Vorstandschef Ugur Sahin der Nachrichtenagentur Reuters. "Wir möchten die Impfstoffentwicklung so weit wie möglich beschleunigen, aber wir werden keine Abkürzung nehmen und wichtige Schritte auslassen." Die Pandemie sei nur mit einem wirksamen Impfstoff aufzuhalten.

Ungewöhnliches Versprechen

"Wir wollen transparent machen, dass wir auch in der jetzigen Situation keine Kompromisse in punkto Sicherheit und Wirksamkeit eingehen wollen", betonte Sahin. Das ungewöhnliche Versprechen der Arzneimittelhersteller, sich an lang etablierte Regeln zu halten, zeigt, wie stark die gegenwärtige Suche nach einem Impfstoff zur Eindämmung der Pandemie bereits politisiert wurde. Die Weltgesundheitsorganisation WHO hatte zur Vorsicht gemahnt, nachdem der Leiter der US-Gesundheitsbehörde FDA, Stephen Hahn, Ende August erklärt hatte, dass die Behörde bereit sei, einen Impfstoff vor Abschluss der Phase-3-Wirksamkeitsstudie zuzulassen, wenn man davon überzeugt sei, dass die Vorteile die Risiken überwiegen.

Kritik an Russland

Russland hatte die Kritik von Experten auf sich gezogen, nachdem es Mitte August als weltweit erstes Land einen Corona-Impfstoff zugelassen hatte, der erst weniger als zwei Monate an Menschen getestet wurde. Die Genehmigung erfolgte vor der entscheidenden Wirksamkeitsstudie, an der üblicherweise Tausende Testeilnehmer beteiligt sind. Eine erfolgreiche Phase-3-Studie ist normalerweise aber die wesentliche Voraussetzung für eine behördliche Zulassung. US-Präsident Donald Trump hat noch vor Jahresende einen Impfstoff versprochen. Der Wettlauf weckt bei vielen Menschen Sorgen, dass die Sicherheit bei der schnellen Entwicklung auf der Strecke bleibt.

Schnelle Zulassung angestrebt

"Alle grossen Impfstoffentwickler verpflichten sich klar dazu, einen Zulassungsantrag für einen Impfstoff nur dann zu beantragen, wenn wir aussagekräftige Phase-3-Sicherheits- und Wirksamkeitsdaten vorliegen haben", versicherte Biontech-Chef Sahin. Das Unternehmen und sein Partner Pfizer haben in Aussicht gestellt, bei erfolgreichen Studienergebnissen schon im Oktober die Zulassung ihres Impfstoffes zu beantragen. Die neun Pharmakonzerne versicherten in der Erklärung auch, daran zu arbeiten, eine ausreichende Versorgung mit Impfstoffen sicherzustellen. "Wir glauben, dass dieses Versprechen dazu beitragen wird, das Vertrauen der Öffentlichkeit in den gründlichen wissenschaftlichen und regulatorischen Prozess sicherzustellen, mit dem Covid-19-Impfstoffe bewertet und letztlich genehmigt werden könnten."

Weltweit gibt es nach WHO-Angaben gegenwärtig 176 Corona-Impfstoffprojekte, davon befinden sich 34 in der klinischen Erprobung am Menschen.

(Reuters)