In der Coronakrise werfen die Anleger ihre Aktien stattdessen lieber immer schneller aus den Depots. Die durchschnittliche Haltezeit von Aktien fiel in diesem Jahr auf ein Rekordtief. "Die Covid-19-Krise hat den Trend zu kurzfristigen Investitionen beschleunigt", sagt Rob Almeida, Portfoliomanager beim Bostoner Vermögensverwalter MFS.

Die durchschnittliche Verweildauer von Aktien in einem Portfolio ist seit Jahrzehnten rückläufig, aber der Trend hat in diesem Jahr noch zugelegt. Als Verstärker wirkt vor allem die Nullzinspolitik der Zentralbanken, die alternative Anlagen wenig rentabel macht.

Hinzu kommen die Konjunkturhilfen von Zentralbanken und Regierungen in bislang nicht gekannter Höhe, die für eine hohe Liquidität an den Finanzmärkten sorgt. Und natürlich lässt die grosse Unsicherheit durch die Corona-Pandemie Anleger häufiger Anlageentscheidungen in die ein oder andere Richtung treffen. "Dank all dieser Anreize hat Kapital keinen Preis mehr", sagt Almeida.

Haltedauer im Durchschnitt: Gut Fünf Monate

Nach Reuters Berechnungen, denen Daten der New Yorker Börse zugrunde liegen, wurden US-Aktien im Juni im Schnitt nur noch fünfeinhalb Monate gehalten. Ende 2019 waren es noch achteinhalb Monate gewesen. Das bisherige Rekordtief von sechs Monaten wurde kurz nach der Finanzkrise von 2008 erreicht.

Im Jahr 1999 schlummerte eine Aktie noch durchschnittlich 14 Monate in einem Depot. In Europa ist die gleiche Tendenz zu beobachten. Hier ging den Berechnungen zufolge die Haltedauer von Aktien von sieben Monaten im Dezember sogar auf weniger als fünf Monate zurück. Der Trend wird dadurch befeuert, dass sich mehr Kleinanleger als Spekulanten betätigen, Investitionen provisionsfrei möglich sind und der Maschinenhandel zunimmt.

Langfrist-Anlagen laufen schlechter

Flinke Aktienhändler konnten zuletzt hohe Renditen einfahren. Investoren mit der Strategie "Kaufen-und-Halten" hatten dagegen ein hartes Jahr, wenn sie zu früh die Nerven verloren. Aktien fielen innerhalb von drei Monaten um 40 Prozent und erholten sich wieder. Bewegungen dieser Grössenordnung brauchten in der Krise von 2008 ganze drei Jahre.

Kevin Russel, Investmentchef des O'Connor-Hedgefonds der UBS mit einem verwalteten Vermögen von 6,1 Milliarden Dollar, sagt, seine Engagements mit dem geringsten Umschlag, die nicht schnell angepasst werden könnten, würden zur Zeit am schlechtesten laufen. Wenn kurzfristige Renditen so attraktiv seien, mache es wenig Sinn, Vermögenswerte länger zu halten.

Der Trend, Papiere schnell wieder loszuschlagen, ist nicht nur bei Aktien zu beobachten. Auch bei Anleihen, egal ob hochwertige Staatspapiere oder "Junk"-Bonds, liege der durchschnittliche Tagesumsatz zehn bis 20 Prozent über den historischen Durchschnittswerten, teilte die Handelsplattform Marktetaxess mit. 

(Reuters)