Seit fast drei Monaten weht beim Basler Pharma-Riesen Novartis ein deutlich anderer Wind. Dafür verantwortlich ist Jörg Reinhardt, der deutsche Ex-Bayer-Manager, der seit August die Nachfolge von Daniel Vasella als VR-Präsident wahrnimmt. Gleichzeitig verblasst das strategische Erbe von Vasella, der das Unternehmen während 12 Jahren in seiner Doppelfunktion als VR-Präsident und CEO prägte, zusehends. 

Die jüngste Korrektur an der Strategie Vasellas betrifft Änderungen der Corporate Governance bei Novartis. Das System der Unternehmensführung und -kontrolle soll nicht nur gestärkt, sondern auch vereinfacht werden. So will der Verwaltungsrat gewisse Entscheidungsprozesse auf tiefere Hierarchiestufen verlagern und die interne Bürokratie abbauen. Dies hat das Aufsichtsgremium des Pharmakonzerns laut Informationen der Basler Zeitung kürzlich beschlossen. 

Neu ist auch, dass Reinhardt sein Amt nicht längerfristig als 100-Prozent-Stelle betrachtet - ganz im Gegensatz zu Vasella. Kurz nach Amtsantritt betonte Reinhardt, dass er diverse operative Aufgaben an Konzernchef Joe Jimenez sowie an die elfköpfige Konzernleitung abtritt. Dieses erhält zudem die Kompetenz, Deals bis zu einem Gesamtwert von 200 Millionen Franken zu prüfen und durchzuwinken. Bisher sei es die Hälfte gewesen, so die BaZ. 

Aktienrückkaufprogramm und höhere Dividende

Bereits vergangene Woche hatte Novartis ein Aktienrückkaufprogramm im Umfang von fünf Milliarden Franken bekanntgegeben. Zudem will das Unternehmen aus den verfügbaren Mitteln gemäss eigenen Angaben eine "starke und wachsende Dividende" für die Jahre 2014 und 2015 in Aussicht stellen. In den letzten vier Jahren hatte Novartis die Gewinnausschüttung um insgesamt 15 Prozent erhöht. Das ist deutlich weniger als bei der Konkurrenz. Roche hatte im gleichen Zeitraum die Dividende um 45 Prozent gesteigert. 

Die Börse hat auf diese Anpassungen in der Post-Vasella-Zeit positiv reagiert. Seit seinem Rücktritt am 22. Januar ist die Aktie mit plus 21 Prozent deutlich höher gestiegen als der Gesamtmarkt, der 14 Prozent zulegte. In den Jahren zuvor rentierte die Novartis-Aktie jeweils deutlich schlechter als der Swiss Market Index

Derzeit notiert der Titel bei 72,30 Franken - und damit nur knapp unter dem Allzeithoch von 77 Franken aus dem Jahr 2006. Da stellt sich angesichts der jüngsten Performance die Frage, ob die Aktie das Rekordhoch demnächst knacken wird.

Wachstumstreiber verlieren an Schubkraft

Kurzfristig stehen die Chancen auf einen weiteren Kurssprung eher schlecht - trotz des riesigen Rückkaufprogramms eigener Aktien. Gemäss Berechnungen der Bank Vontobel regt der Kauf eigener Titel die Nachfrage um rund vier Prozent an. Derzeit wiegen die Schwierigkeiten auf operativer Ebene noch immer zu schwer. In den nächsten Monaten werden wichtige Wachstumstreiber von Novartis Gilenya, Lucentis, Afinitor und Tasigna an Dynamik verlieren dürften. Einer der wenigen Lichtblicke ist das Blutdrucksenker-Medikament Diovan, für das ursprünglich bereits in diesem Jahr Konkurrenz aus der Generika-Branche befürchtet wurde.

Dennoch betonen fast alle Analysten ihr "Reduce"-Rating - mit Kurszielen in der Region von 64 Franken. Zusätzliches Kurspotenzial billigt einzig die Credit-Suisse-Expertin dem Titel zu. Wie heute Mittwoch der cash Insider schreibt, hält diese an ihrem Kursziel von 79 Franken begleitend von einer Kaufempfehlung fest.