Herr Hogan, Sie bieten psychometrische Tests an, die Persönlichkeiten bewerten und Unternehmen dabei helfen sollen, die richtigen Mitarbeiter zu finden. Haben Sie den Test selbst auch einmal absolviert?
Ja, das ist allerdings schon eine Weile her.

Was war das Ergebnis?
Ich bin eine schwierige Person und mag keine Regeln. Als Arbeitgeber hätte man nur Probleme mit mir.

Wer nutzt Ihren Persönlichkeitstest?
Wir arbeiten mit 75 Prozent der Fortune-500-Unternehmen in den USA zusammen.

Demnach müssen Sie schon viele talentierte Führungskräfte gefunden haben. Wer war Ihre grösste Entdeckung?
Wir identifizieren Persönlichkeitsmerkmale, die etwas über die zukünftige Leistung am Arbeitsplatz voraussagen, ob jemand beispielsweise Management- und Führungspotenzial hat oder ob es gewisse Risikofaktoren gibt.

Für den Arbeitgeber ergibt sich daraus ein detailliertes Bild eines Kandidaten. Wir treffen also keine binären Entscheidungen über Flop oder Erfolg. Jeder hat Stärken und Schwächen, und einige Kombinationen sagen einen grösseren Erfolg voraus als andere.

Zum Beispiel?
Das kommt auf die Stelle an. Für eine erfolgreiche Karriere im Bereich Cybersecurity sind zum Beispiel Merkmale wie Bescheidenheit, Selbstlosigkeit, Gelassenheit, wissenschaftliches Interesse, Wissbegierde und Gewissenhaftigkeit entscheidend.

Und für eine Führungskraft?
Vor allem Bescheidenheit.

Bescheidenheit? Nicht gerade die typische Charaktereigenschaft von Chefs.
Genau das ist das Problem. Firmen tendieren dazu, charismatische Mitarbeiter zu befördern, die selbstbewusst, charmant und auffällig sind. Daraus wird abgeleitet, dass sie auch Führungspotenzial haben. Doch das ist ein Trugschluss.

Warum?
Effektive Führungskräfte sind demütiger. Für sie zählt die Teamleistung, und sie sind bereit, Fehler einzugestehen und Anerkennung zu teilen. So werden Teammitglieder motiviert und inspiriert.

Was fragen Sie in Ihren Tests genau ab?
Es gibt drei Fragebögen, in denen wir jeweils eine andere Facette der Persönlichkeit betrachten: Potenziale, persönliche Wertevorstellungen sowie Risiken.

Geht es etwas genauer?
Beim Potenzialverfahren stehen Aspekte im Vordergrund wie die Fähigkeit, mit anderen auszukommen und Ziele zu erreichen. Die Antworten zeigen, wie eine Person beispielsweise mit Stress umgeht. Ein anderes Assessment befasst sich hingegen mit den Wertevorstellungen und zeigt, welche Faktoren eine Person motivieren, um erfolgreich zu sein. Und dann gibt es noch Fragebögen, welche die dunkle Seite der Persönlichkeit durchleuchten.

Das Böse in uns?
Jeder hat eine Schattenseite, die immer dann auftritt, wenn man nicht nachdenkt, sondern einfach man selbst ist. Das wahre Ich sozusagen.

Das klingt gar nicht so schlimm.
Für den Arbeitgeber sind das Risikofaktoren. Zwei Drittel aller Manager scheitern, weil sie stark ausgeprägte Persönlichkeitsmerkmale haben, überzogene Stärken, und sich dessen gar nicht bewusst sind.

Diese müssen nicht per se schlecht sein, sie können aber in gewissen Situationen, bei Stress oder Druck, schnell destruktiv werden und dem Unternehmen schaden. Deswegen ist es wichtig, dass man sie identifiziert, bevor sie zum Problem werden.

Zum Beispiel?
Überzogener Perfektionismus.

Nicht per se eine schlechte Eigenschaft.
Fast alle Merkmale haben positive wie negative Aspekte – je nach Kontext. Perfektionistische Personen zum Beispiel leisten tendenziell qualitativ hochwertige Arbeit, weil sie sehr pingelig sind, wie Aufgaben zu erledigen sind. In gewissen Berufen ist das eine positive Eigenschaft.

Auf Führungsebene, wo man ein Team führen muss, kann das jedoch Schwierigkeiten mit sich bringen. Mitarbeiter werden an der kurzen Leine gehalten, weil man glaubt, dass sie Dinge sonst nicht richtig machen. Also reissen sie alles an sich und machen es selbst. Als Führungskraft aber muss man delegieren können.

Sind solche Tests aus Kandidatensicht nicht auch leicht manipulierbar?
Sicherlich können Bewerber hier und da etwas flunkern, das Ergebnis wirklich verfälschen können sie jedoch nicht. Dafür ist der Test zu umfassend. Sie wissen oftmals auch gar nicht, welche Persönlichkeit der Arbeitgeber sucht und was die entsprechenden Anforderungen sind.

Wie sicher sind solche Tests? Und lassen sich die Einschätzungen nicht auch mit ein bisschen Bauchgefühl treffen?
Unsere Erkenntnisse basieren auf 30 Jahren Forschung und Daten von Millionen von berufstätigen Erwachsenen. Zudem führen wir regelmässig Validitäts- sowie Return-on-Investment-Studien durch, die zeigen, wie gut unsere Testverfahren Leistungen vorhersagen. Unsere Erkenntnisse sind somit deutlich aussagekräftiger als solche, die aus Assessmentcentern gewonnen wurden.

Und sie sind um ein Vielfaches valider als ein Bauchgefühl. Zumal bei traditionellen Rekrutierungspraktiken oftmals weniger auf Persönlichkeitsmerkmale geachtet wird als auf Ausbildung und fachliche Fähigkeiten. Dabei kann ein Kandidat mit den entsprechenden Eigenschaften leicht für die richtige Rolle geschult werden. Bei Persönlichkeitsmerkmalen ist das schwieriger.

Sie helfen Unternehmen auch bei der Entwicklung von Führungskräften. Wie sieht gute Führung konkret aus?
Eine erfolgreiche Führungskraft kann ein leistungsfähiges Team aufbauen und aufrechterhalten. Dabei sind aus Sicht des Teams vor allem vier Dinge entscheidend, die einen guten Chef ausmachen: Er oder sie muss integer sein, über ein gutes Urteilsvermögen verfügen, eine Unternehmensvision haben und kompetent sein.

Welche Rolle spielt das Unternehmenslevel bei der Führung von Mitarbeitern?
Je nach Ebene sind andere Fähigkeiten gefragt. Echte Führungsqualitäten brauchen vor allem Entry-Level-Manager. Denn sie müssen ein Team bilden und die Mitarbeiter motivieren, die ihnen übertragenen Aufgaben zu erledigen.

Manager im mittleren Management hingegen müssen vor allem wie Diplomaten agieren und die nicht immer einfachen Ideen der Chefs an die unteren Manager «verkaufen» können.

Und auf dem Top-Level?
An der Spitze geht es vor allem um Strategie und darum, gute Entscheidungen zu treffen. Hier sind also vor allem analytische Fähigkeiten gefragt. Ein gutes Beispiel war Apple-Chef Steve Jobs.

Inwiefern?
Jobs war fachlich smart, ein Stratege und Visionär und ein Genie, was seine Produkte und die Produktplatzierung anging. Doch er war ein miserabler Manager ohne jegliche Führungskompetenz: Er hatte kein Gefühl für Demut, und ihm fehlte die Bereitschaft, von anderen zu lernen, sich Alternativen anzuhören, die Beiträge anderer herauszustellen und Fehler zuzugeben.

In seiner Position war das vielleicht auch nicht notwendig. Der Erfolg hat ihm schliesslich recht gegeben.
Eben. An der Spitze kommt es nicht so sehr auf diese Fähigkeiten an, Jobs hat seine Strategien einfach nach unten weitergegeben, wo sie von seinen «Diplomaten» implementiert wurden.

Dieses Interview erschien im Original in der Bilanz unter dem Titel "Steve Jobs war ein miserabler Manager".