Laut WHO werden 34 potenzielle Impfstoffe bereits an Menschen getestet, mehrere davon inzwischen in gross angelegten Studien mit tausenden Probanden. Diese sogenannte Phase III ist das letzte Stadium der klinischen Entwicklung eines jeden Medikaments, in der Regel bevor bei den Behörden ein Antrag auf Zulassung gestellt werden kann. In Russland wurde allerdings ein erster Impfstoff schon vor Abschluss der Studien genehmigt. Die Entwicklung unter enormen Zeitdruck schürt Sicherheitsbedenken. Führende westliche Pharmaunternehmen sicherten daher am Dienstag in einer gemeinsamen Erklärung zu, bei der Impfstoffentwicklung alle wissenschaftlichen Standards und Anforderungen einhalten zu wollen.

Es folgt eine Auswahl der Impfstoff-Kandidaten in der klinischen Entwicklung und in welchem Stadium sie sich befinden:

GAMALEYA-INSTITUT

Das russische Gesundheitsministerium hat den Impfstoff, der im Ausland unter dem Namen "Sputnik V" auf den Markt gebracht werden soll, am 11. August freigegeben, noch bevor die Ergebnisse der Phase III-Studien vorlagen. In zwei kleineren Tests im Juni und Juli haben dem Fachmagazin "Lancet" zufolge alle 76 Teilnehmer Antikörper entwickelt und keine schweren Nebenwirkungen gezeigt. Der Wirkstoff verwendet ein modifiziertes Erkältungsvirus, um genetisches Material des Coronavirus in den menschlichen Körper zu transportieren. Russlands Präsident Wladimir Putin hofft, bald mit Massenimpfungen in Russland starten zu können, während die entscheidende klinische Studie über die Wirksamkeit und Sicherheit des Impfstoffes läuft. Diese soll der Nachrichtenagentur TASS zufolge mehr als 40.000 Teilnehmer umfassen. Auch Mexiko will mit 2000 Freiwilligen mitmachen. Brasilien plant, den Impfstoff Anfang nächsten Jahres an 10.000 Freiwilligen testen.

ASTRAZENECA

Der Impfstoff-Kandidat, der von dem britischen Pharmakonzern zusammen mit der Universität Oxford entwickelt wird, gilt als einer der führenden Kandidaten im globalen Wettlauf gegen die Corona-Pandemie. Er befindet sich in der klinischen Studie der Phase III und wird in Grossbritannien, Brasilien, Südafrika und den USA getestet. Der Wirkstoff mit dem Namen AZD1222 hat in einem Test mit mehr als 1000 Freiwilligen positive Ergebnisse erzielt - die Probanden bildeten Antikörper und sogenannte T-Zellen, die die Immunabwehr unterstützen. Dabei traten keine ernsthaften Nebenwirkungen auf. Wie Sputnik V basiert auch dieser Impfstoff auf einem modifizierten Erkältungsvirus. Der Impfstoff könnte den Forschern zufolge zum Jahresende bereitstehen. Nach Angaben des italienischen Gesundheitsministeriums soll der Impfstoff in Europa pro Dosis 2,50 Euro kosten.

BIONTECH - PFIZER 

Die beiden Unternehmen haben den Impfstoff-Kandidaten BNT162b2 entwickelt, der bei einer insgesamt 60 Personen umfassenden Studie der Phase I/II zur Bildung von Antikörpern und T-Zellen bei den Probanden führte. Die Mainzer BioNTech und der US-Phamakonzern starteten inzwischen eine breit angelegte, globale Studie zur Untersuchung der Sicherheit und Wirksamkeit des Impfstoffes mit mehr als 30.000 gesunden Menschen im Alter von 18 bis 85 Jahren. Auch in Deutschland nehmen Freiwillige an diesem Test teil. Bei einem Erfolg soll im Oktober ein Zulassungsverfahren beantragt werden. Die Partner setzen dabei auf einen neuen Impfstofftyp, der Ribonukleinsäure (RNA) verwendet. Dieser chemische Botenstoff weist Körperzellen an, Proteine zu produzieren, die die äussere Oberfläche des Coronavirus nachahmen. Der Körper erkennt diese virusähnlichen Proteine ​​als Eindringlinge und kann dann eine Immunantwort gegen das eigentliche Virus auslösen.

MODERNA

Der US-Biotechkonzern hatte als erstes Unternehmen Mitte März eine klinische Studie der Phase I mit einem potenziellen Impfstoff auf mRNA-Basis gestartet. Bei allen 45 Freiwilligen, die an der Untersuchung teilnahmen, habe der Impfstoff eine Immunantwort hervorgerufen, teilte Moderna Mitte Juli mit. Nun begann eine entscheidende Wirksamkeitsstudie der Phase III mit 30.000 Teilnehmern. Bei der Rekrutierung von Testpersonen will der Konzern darauf achten, dass auch Minderheiten angemessen vertreten sind. Getestet wird in 30 US-Bundesstaaten, darunter die vom Virus stark betroffen Staaten Texas, Kalifornien und Florida. Die US-Regierung unterstützt das Projekt mit nahezu einer Milliarde Dollar.

SINOVAC

Der chinesische Impfstoffentwickler befindet sich mit seinem potenziellen Wirkstoff namens CoronaVac als einer von vier chinesischen Impfstoffkandidaten in der klinischen Phase III. Tests mit tausenden Freiwilligen laufen in Indonesien und Brasilien, einem der am stärksten von der Pandemie betroffenen Länder. Der Gouverneur von Sao Paulo, Joao Doria, erklärte, die Produktion des Impfstoffes könne Anfang nächsten Jahres beginnen, falls die Tests erfolgreich verliefen. Rund 90 Prozent der eigenen Mitarbeiter und ihre Familien wurden bereits mit dem Sinovac-Impfstoff auf freiwilliger Basis geimpft. Dies sei Teil des chinesischen Notfallplans, bei dem bestimmte systemrelevante Gruppen wie medizinisches Personal bevorzugten Zugang zu Impfstoffen erhielten, erläuterte Sinovac-Chef Yin Weidong.

SINOPHARM 

Der staatliche chinesische Biotechkonzern testet zwei verschiedene Impfstoffkandidaten in Phase-III-Studien. Mitte Juli begann ein breit angelegter Test in den Vereinigten Arabischen Emiraten mit 15.000 Freiwilligen. Auch Argentinien, Peru, Marokko und Bahrain haben Phase-III-Tests mit dem Sinopharm-Kandidaten zugelassen. Die Firma setzt auf einen inaktivierten Impfstoff, also auf abgetötete Krankheitserreger. Diese werden vom Körper als fremd erkannt und regen das körpereigene Abwehrsystem an, damit Antikörper und T-Zellen gebildet werden. Solche Impfstoffe kommen unter anderem gegen Influenza und Masern zum Einsatz.

JOHNSON & JOHNSON

Der US-Pharmakonzern testet seinen potenziellen Corona-Impfstoff am Menschen, nachdem Studien mit Affen erfolgreich verlaufen waren. Rund 1000 gesunde Erwachsene in den USA und in Belgien würden an der Untersuchung teilnehmen. Getestet werde eine einmalige und eine zweimalige Gabe des Impfstoffes. Im September sollen dann zwei Phase-III-Studien mit den jeweiligen Dosierungen beginnen, unter anderem in Lateinamerika. Die US-Regierung fördert die Entwicklung und Produktion des Mittels, das abgeschwächte Viren als Anreger für die Bildung von Antikörpern benutzt, mit einer Milliarde Dollar.

CUREVAC 

Der mittlerweile börsennotierte Tübinger Impfstoffentwickler hat im Juni mit der klinischen Erprobung seines Covid-19-Impfstoffkandidaten begonnen. Ergebnisse daraus erwartet das Unternehmen im vierten Quartal 2020. CureVac Haupteigner und SAP-Gründer Dietmar Hopp rechnet damit, bis zum Ende des Jahres 100 Millionen Dosen zur Verfügung zu haben. Eine Zulassung werde im Frühjahr oder Sommer 2021 erwartet, in eingeschränkter Form möglicherweise aber auch schon früher, sagte er dem "Handelsblatt". Die Impfstoffe von CureVac basieren auf der Boten-RNA (mRNA). Bei sogenannten RNA-Druckern, also Produktionseinheiten zur Herstellung der mRNA, arbeitet CureVac mit Tesla zusammen. Der Bund hält 23 Prozent an CurVac und unterstützt die Forschung mit 252 Millionen Euro.

CANSINO BIOLOGICS  

Der chinesische Entwickler will seinen Impfstoff-Kandidaten nach vielversprechenden Testdaten in einer frühen Studie weiter entwickeln. Kandidat Ad5-nCOV wurde an 508 Probanden getestet und zeigte eine Wirkung bei den meisten der Freiwilligen. Rund 77 Prozent hatten leichte Nebenwirkungen wie Fieber oder eine Reizung der Einstichstelle. Pakistan, Saudi Arabien und Russland haben inzwischen Phase-III-Studien mit dem CanSino-Kandidaten zugelassen. Der Impfstoff verwendet ein modifiziertes Erkältungsvirus, um genetisches Material vom neuen Coronavirus in den menschlichen Körper zu transportieren, eine Methode, die auch im AstraZeneca-Impfstoff verwendet wird. Allerdings zeigte die Studie auch, dass Personen, die zuvor schon einmal mit diesem spezifischen Virus infiziert worden waren, eine gedämpfte Reaktion aufwiesen.

NOVAVAX  

Das amerikanische Biotechunternehmen will seinen Impfstoff-Kandidaten ab Ende September in einer klinischen Studie der Phase II testen und hat begonnen, dafür Freiwillige zu rekrutieren. Vorläufige Ergebnisse werden im vierten Quartal erwartet. In ersten Untersuchungen habe sich gezeigt, dass die Probanden Antikörper gegen das Coronavirus ausgebildet hätten. Vorstandschef Stanley Erck rechnet mit einem Zulassungsantrag im Dezember, wie er der tschechischen Zeitung "Hospodarske Noviny" sagte. Der Impfstoff soll auch in Tschechien produziert werden.

INOVIO

Der US-Pharmakonzern hat in einer frühen Studie vielversprechende Ergebnisse erzielt. Der Impfstoff rief bei 34 der 36 gesunden Freiwilligen im Alter von 18 bis 50 Jahren Immunantworten hervor. Der Beginn der Phase III-Studie verzögert sich jedoch nun auf September; ursprünglich war der Sommer als Startpunkt genannt worden. 

(Reuters)