cash: Herr Mather, wie beurteilen Sie das Verhalten der Investoren in diesem Jahr?
 
Scott Mather: Die Investoren sind generell nicht sehr risikoavers. Das mag etwas erstaunen, wenn man die aktuellen Bewertungen in Betracht zieht. Aber es ist eine Fortsetzung einer Entwicklung, welche die Investoren mehr und mehr ins Risikospektrum getrieben hat. Das ist nicht erstaunlich. Wir hatten und haben in weiten Teilen der Welt Nullzinspolitik und 'Quantatative Easing'. Das waren Massnahmen, die darauf abzielten, Anleger in risikoreichere Investments zu treiben und die Preise der Finanzanlagen zu erhöhen. Aus diesem Gesichtspunkt kann man sagen: Mission erfüllt. Die Frage lautet nun: Was passiert als nächstes?
 
Ihre Antwort?
 
Wir treten in eine Phase erhöhter Volatilität ein, es wird schwieriger für Anleger. Dies hauptsächlich deshalb, weil sich die Geldpolitik ändert. Diese Entwicklung wird von den USA angeführt. Wir werden kaum mehr die konstanten Preissteigerungen sehen, wie wir sie zum Beispiel an den Aktienmärkten beobachten konnten. Für uns als aktive Investoren ist ein solches Umfeld vorteilhaft besser. Nämlich 'Alpha' zu erreichen, indem wir den breiten Markt punkto Performance durch aktive Anlageentscheidungen schlagen. Um Mehrertrag zu generieren, wird es für Anleger in den kommenden Jahren entscheidend sein, sich auf das sich verändernde geldpolitische Umfeld einzustellen.
 
Gerade auch bei Staatsanleihen hat sich die Rally in den letzten Monaten fortgesetzt, die langfristigen Renditen in den USA sind deutlich gefallen. Dies trotz der Gewissheit, dass in den USA höchstwahrscheinlich die Leitzinsen erhöht werden. Das ist doch erstaunlich?
 
Sicher, die US-Notenbank steuert Richtung Zinserhöhung. Aber man muss einen Blick auf die anderen Länder werfen. Fast überall sehen wir noch eine lockere Geldpolitik, zum Beispiel in Japan oder in Europa. Man kann sogar sagen, dass die Geldpolitik in den letzten Monaten global gesehen noch lockerer geworden ist, obwohl die US-Notenbank die geldpolitischen Zügel strafft. Der andere Grund für die fallenden Bondrenditen ist der Deflationsdruck, der gerade auch durch die fallenden Energiepreise erhöht wurde. Die Leute sehen, dass es längere Zeit dauern wird, bis die Inflationsziele erreicht werden können.
 
Wann wird die US-Notenbank denn die Zinsen erhöhen?
 
Ich glaube im Sommer, es kann sogar schon im Juni passieren. Fast alles wird von den Arbeitsmarktdaten in den USA abhängen. Die US-Notenbank 'telegraphiert' eine Zinserhöhung jedenfalls schon lange sehr deutlich. Im März könnte die Fed ihre Kommunikation ändern und die Märkte auf die Zinserhöhung vorbereiten.
 
Wie hoch werden die Leitzinsen in den USA steigen?
 
Wir erwarten eine Erhöhung von 50 bis 75 Basispunkten in den nächsten Quartalen. Die Notenbank wird die Zinsen langsam erhöhen, bis sie ein 'neutrales' Niveau erreicht haben wird, das unserer Meinung nach bei nominal 2 Prozent liegt. Das entspräche null Prozent Realzinsen. Dann wird die Fed eine lange Pause einlegen. Einige Investoren sind ja permanent der Meinung, eine Zinserhöhung von Null aus werde eine Art Katastrophe auslösen…
 
Dabei befinden wir noch immer in Zeiten aussergewöhnlicher Notenbank-Massnahmen…
 
Genau. Das scheinen viele Investoren vergessen zu haben. Es ist fast schon eine Sucht der Investoren zu null Prozent Leitzinsen. Das sagt uns gleichzeitig, dass dieses Nullzinsumfeld bei den Leitzinsen zu lange vorhanden war. Die Leute haben sich zu sehr daran gewöhnt. 
 
Im April 2013 reagierten die Märkte schockiert, als die US-Notenbank ankündigte, dass sie die ultralockere Geldpolitik langsam beenden wolle. Wird es bei einer effektiven Zinserhöhung nun anders sein?
 
Ja. Die Meldung, dass die Fed die Geldpolitik ändert, wurde von den Märkten bereits absorbiert. Das heisst aber nicht, dass es an den Märkten nicht zu erhöhter Volatilität kommen kann. Das wird, wie gesagt, wohl eintreffen. Aktienmärkte könnten zuerst gut und gerne zehn Prozent fallen, aber die Fed wird dies akzeptieren und vielleicht sogar begrüssen, damit die Märkte begreifen, dass kein 'Put' mehr vorhanden ist. Und die Volatilität wird den wirtschaftlichen Aufschwung in den USA nicht bedeutend behindern. Die US-Wirtschaft hängt weniger von den Assetpreisen ab als noch vor drei oder fünf Jahren.
 
Wie sollen Investoren in diese Zeiten gehen?
 
Sie sollten darauf achten, dass sie sich in ihren Portfolios nicht übermässigen Risiken aussetzen. Denn das war der Trend der letzten Jahre. Der Markt drängte Investoren in riskantere Anlagen. Wenn man in den nächsten Jahren nach zuviel Rendite Ausschau hält, wird dies wehtun, falls die Märkte angesichts einer sich ändernden US-Geldpolitik korrigieren.
 
Sie meinen mit riskanteren Assets auch Aktien?
 
Ich meine damit, dass jedes Portfolio einzeln betrachtet werden muss. Auch innerhalb der Anleihenmärkte haben viele Investoren in den letzten Jahren in eine riskantere Klasse gewechselt. 
 
Wegen der erwarteten Zinserhöhung in den USA wird auch der Dollar weiter steigen?
 
Ja. Der Dollar hat seit Mitte des letzten Jahres zugelegt, und wir denken, dass er die nächsten ein bis zwei Jahre weiter steigen kann. Vieles spricht für die US-Währung: Das US-Wirtschaftswachstum sowie der Abbau der Defizite in den USA, oder die Zinsunterschiede zu anderen Währungsräumen.
 
Wie sehen Sie die wirtschaftliche Entwicklung der Eurozone?
 
Die Eurozone hat das Schlimmste hinter sich. Die jüngsten Massnahmen der EZB werden die Wirtschaft stimulieren. Die niedrigeren Energiepreise und der abgewertete Euro müssten ebenfalls unterstützend wirken. Vorausgesetzt, dass sich die Probleme in der Ukraine oder in Griechenland nicht verschlimmern, gehen wir davon aus, dass die Eurozone auf einen ordentlichen Wachstumspfad einschwenken wird.
 
Die Schweizerische Nationalbank sorgte jüngst mit der Abschaffung der Franken-Untergrenze zum Euro für Aufregung an den Märkten. War der SNB-Schritt das eigentliche Eingeständnis vor allem einer kleineren Zentralbank, dass die Märkte auf Dauer stärker sind?
 
Ja, das kann man als solches Signal interpretieren. Sie können als Notenbank mit einer Massnahme nicht etwas unterdrücken, ohne dass dies anderswo nicht verrechnet wird. Nämlich in der Bilanz der Notenbank. Es war offensichtlich eine Anerkennung der Realität. Die Marktteilnehmer kritisierten natürlich, die Notenbank hätte Wege finden sollen, um weniger Volatilität zu erzeugen. Und ich glaube, die Notenbanker waren selber überrascht, welche grosse Volatilität sie erzeugten mit dem Entscheid. Aber die Schweizer Zentralbank war in keiner einfachen Situation. Und ihr Entscheid verdeutlicht die Tatsache, mit welchen Schwierigkeiten sich die Notenbanken weltweit in den nächsten fünf bis zehn Jahren konfrontiert sehen, ihre Geldpolitik wieder normalisieren zu können. Ich bin mir sicher, da werden viele Fehler passieren. 
 
Sie sind ja seit Herbst einer der Nachfolger von Bill Gross als Co-Manager des 'Total Return Fund' von Pimco, des weltgrössten aktiv gemanagten Bond-Fonds mit einem Volumen von 135 Milliarden Dollar. Der Fonds hatte im Januar den 21. Monat in Folge Abflüsse von Kundengeldern. Was muss passieren, damit diese 'Outflows' ein Ende nehmen?
 
Wir konzentrieren uns auf die Performance des Fonds. Dies ist unser klarer Fokus. Die Investoren werden an einem bestimmten Punkt wieder zurückkehren, wenn sie sehen, dass die Performance stimmt. Und sie stimmt. 
 
In den letzten Monaten haben Sie in Sachen Performance die meisten Konkurrenten wieder geschlagen. Was haben Sie geändert?
 
Nichts. Es war eine Ausnahme, dass wir eine Phase der Underperformance des Fonds hatten. Nun kommen wir zurück zu den normalen, überdurchschnittlichen Performance-Niveaus. 
 
Aber es war eine schwierige Zeit für Sie und Pimco, als mit 'Bondkönig' Bill Gross sowie CEO und Co-Anlagechef Mohamed El-Erian die zwei Aushängeschilder im letzten Jahr die Firma verliessen? Ist es ruhiger jetzt?
 
Ja, es ist ruhig. Aber für uns waren die letzten Monate sowieso mehrheitlich 'Business as usual'. Das verstanden die Leute wohl zu wenig. Pimco ist nicht nur eine Person. Pimco war es nie, Pimco wird es nie sein. Pimco hat 260 Portfolio-Manager. Wir haben dermassen viele Leute, die in verschiedenen Bereichen tätig sind. Und das macht uns stark, gerade wenn die Märkte volatil sind oder wenn Krisen ausbrechen.
 
Im cash-Video-Interview äussert sich Scott Mather auch zu den Wachstumsaussichten der US-Wirtschaft. 

Scott Mather ist Anlagechef «U.S. Core Strategies» und Managing Director am Hauptsitz von Pimco (Pacific Investment Management Co.) in Newport Beach in Kalifornien. Seit dem Abgang des illustren Pimco-Mitgründers und Anlagechefs Bill Gross wegen interner Richtungsstreitigkeiten im letzten September - was der internationalen Finanzpresse wochenlang Schlagzeilen lieferte - ist Mather zusammen mit Mark Kiesel und Mihir Worah, verantwortlich für den Pimco-«Total Return Fund». Mather war zuvor für das Pimco-Portfoliomanagement in Europa verantwortlich. Vor seinem Wechsel zu Pimco war Mather Anleihehändler bei Goldman Sachs in New York.

Das Anlagevermögen des «Total Return Fund» betrug per Ende Januar 2015 rund 135 Milliarden Dollar. In der Spitze 2013 waren es einmal 293 Milliarden Dollar. Insgesamt verwaltet Pimco fast 1,7 Billionen Dollar. Pimco war 1971 gegründet und im Jahr 2000 vom deutschen Versicherer Allianz gekauft worden. Beim Bekanntwerden des Abgangs von Bill Gross im letzten September rutschte der Aktienkurs von Allianz massiv ab.