"Es geht auch ohne Collardi", schrieb Michael Kunz, Analyst der Zürcher Kantonalbank (ZKB), vor zwei Monaten in einem Kommentar zur aktuellen Situation bei Julius Bär. Der charismatische Banker Boris Collardi, der auch immer wieder Protagonist der Finanz-Klatschspalten war, gab letzten November sein CEO-Amt überraschend ab.

Der Rücktritt sorgte unter Anlegern zunächst für einen Schockmoment: Am 27. November 2017, der Tag der Ankündigung, fiel der Aktienkurs von Julius Bär um 6,4 Prozent nach unten. Experten sahen in seinem Abgang einen herben Verlust, zumal Julius Bär unter seiner Leitung von 2009 bis 2017 die verwalteten Kundenvermögen von 150 auf beinahe 400 Milliarden Franken erhöhen konnte. Es wurden auch Befürchtungen laut, dass dadurch eine Welle von Abgängen unter den Kundenberatern losgetreten werden könnte.

Doch der befürchtete "Brain Drain" blieb in den letzten Monaten aus. Auch unter dem neuen Chef Bernhard Hodler - zuvor langjähriger Chief Risk Officer - macht die Privatbank eine gute Falle. Im März wurde etwa der Eintritt in den thailändischen Private-Banking-Markt durch ein Joint-Venture mit der Siam Commercial Bank verkündet. Das unterstreiche, dass Julius Bär als global agierender reiner Vermögensverwalter ungebrochen dynamisch unterwegs sei, kommentierte die ZKB diesen Schritt.

Aktie mit starker Performance

Auch der Kursfall erwies sich als nur kurzfristiger Natur und konnte dem Aufwärtsdrang der Aktie keinen Abbruch tun: Mit Sicht auf die letzten 12 Monate liegt die Performance bei plus 20 Prozent, im laufenden Jahr sind es - trotz negativem Gesamtmarkt - beachtliche plus 6 Prozent. Die Grossbanken CS (-3 Prozent) und UBS (-10 Prozent) weisen 2018 bisher eine Negativperformance auf.

Entwicklung der Julius Bär-Aktie in den letzten 52 Wochen, Quelle: cash.ch

Julius Bär-Aktionäre müssen sich 2018 nun aber auf ein etwas langsameres Wachstum einstellen. Denn 2017 war ein aussergewöhnlich starkes Jahr: Mit dem Neugeldzufluss von 6,6 Prozent des verwalteten Vermögens wurde der eigene Zielwert von 4 bis 6 Prozent übertroffen. 2018 dürften die Neugelder wieder unter 6 Prozent zu liegen kommen, sind sich die Analysten weitgehend einig.

Nichtsdestotrotz stimmt bei der Privatbank die Richtung: "Julius Bär ist strukturell gut aufgestellt, um vom Wachstum und der Wohlstandsgeneriung in Asien zu profitieren", schreibt Morgan Stanley in einer Analyse. Rund 25 Prozent der verwalteten Vermögen stammen aus dieser Region. 

Ausserdem wird weiterhin viel unternommen, um den Neugeldzufluss hoch zu halten. So sollen jährlich netto 80 Berater eingestellt werden. Das erhöht zwar die Gesamtkosten, wird aber über kurz oder lang höhere Erträge generieren.

Qualität spiegelt sich langsam im Preis wider

Nicht ausser Acht gelassen werden sollte bei Julius Bär der Währungsmismatch zwischen Erträgen und Kosten, der immer wieder für Gewinnschwankungen -  nach oben sowie unten - sorgt. Die Kosten fallen mehrheitlich in Franken an, während das verwaltete Vermögen überwiegend in Dollar investiert ist. 2018 dürfte die fortsetzende Dollaufwertung daher gewinntreibend wirken.

Galt Julius Bär lange als Schnäppchen, so hat sich dies durch den starken Kursanstieg in den letzten 30 Tagen (+10 Prozent) wieder etwas relativiert. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis 2018 liegt inzwischen bei geschätzten 17. Analysten zeigen sich verhalten positiv: Kauf- und Halteempfehlungen halten sich in etwa die Waage. Die Kursziele reichen von 62 Franken (Helvea) bis 73 Franken (Citigroup). Bei einem aktuellen Kurs von 63 Franken entspricht dies einem Potenzial für die nächsten 12 Monate von minus 1,5 bis plus 16 Prozent.

Am 23. Mai wird Julius Bär im Interim Management Statement Zahlen zu den ersten vier Monaten des laufenden Jahres veröffentlichen. Für Anleger ein wichtiges Datum, denn dieser Bericht zeigt die ungefähre Marschrichtung für das Jahr 2018. Wer als Aktieninvestor auf Nummer sicher gehen will, wartet mit dem Einstieg diesen Termin noch ab.