Kein Zweifel: Es ist nicht aktionärsfreundlich und widerspricht den Grundsätzen moderner Unternehmensstrukturen, dass ein Aktionär mit ganz wenig Kapitalbeteiligung, zum Beispiel weniger als 20 Prozent, eine Firma kontrollieren kann. Er kann dies, weil er sich via Firmenstatuten ganz legal die Mehrheit der Stimmrechte am Unternehmen sichert. Solche oder ähnliche altertümlich anmutende Strukturen haben noch rund zwei Dutzend kotierte Schweizer Firmen. Diese Aktionäre, meist Gründerfamilien oder Nachkommen der Firma, wollen sich damit gegen übermässige Mitsprache von Investoren oder gegen Übernahmen aus dem Ausland schützen. Kommt es unerwarteterweise dennoch dazu, ist der Knall programmiert.

Dies geschah im Fall Sika. Die Gründerfamilie des Zuger Baukonzerns, ausgestattet mit 53 Prozent Stimmenmehrheit und nur 16 Prozent Kapitalanteil, wollte im Dezember 2014 Kasse machen und das Unternehmen an den französischen Konkurrenten Saint-Gobain verkaufen. Während Saint-Gobain der Familie die Sika-Aktien 80 Prozent über dem damaligen Börsenwert abkaufte, mussten die Franzosen den Minderheitsaktionären - gemäss Sika-Statuten - kein Übernahmeangebot für deren Aktien unterbreiten. Die Folge: Management, die Mehrheit des Verwaltungsrates und Minderheitsaktionäre fühlten sich übergangen und stiegen auf die Barrikaden. 

Doch Ungerechtigkeit für Minderheitsaktionäre hin oder her - Fakt ist: Die Gründerfamilie von Sika hat einzig und allein nach den Firmenstatuten gehandelt. Und sie handelte bloss aufgrund der geltenden Gesetzgebung in der Schweiz. Bei Beratungen zur Revision des Börsengesetzes, das 1998 in Kraft trat, räumte das Parlament den Unternehmen nämlich Möglichkeiten zum Ausschluss der Angebotsplicht für alle Aktionäre ein. An einer Sika-Generalversammlung 1998 stimmten die Minderheitsaktionäre ihrer Schlechterstellung und Entmachtung übrigens selber zu.

Was ist nun passiert? Das Kantonsgericht Zug kommt in seinem Urteil vom Freitag überraschenderweise zum Schluss, dass das Sika-Management und die Mehrheit des Sika-Verwaltungsrates die Übernahme von Saint-Gobain torpedieren dürfen, wie sie dies seit Dezember 2014 tun. Sie kappten 2015 die Stimmrechte der verkaufswilligen Gründerfamilie kurzerhand und fallweise auf 5 Prozent. Diese Entmachtung der Gründerfamilie von Sika ist, wie das Gericht nun festhält, zulässig.

Die Signale, die damit vom Zuger Gericht ins Ausland gesendet werden, müssen höchst verstörend wirken. Der Fall Sika signalisiert ausländischen Investoren erst mal, dass Übernahmen bei Firmenkonstrukten wie Sika in der Schweiz juristisch angreifbar sind - obwohl Gesetz und Firmenstatuten dazu eigentlich eindeutig sind.

Und der Gerichtsentscheid sendet damit schlechte Signale vom bislang liberal orientierten Wirtschaftsstandort Schweiz, der in den letzten Jahren durch Volksabstimmungen bei ausländischen Grosskonzernen und Investoren bereits für erhebliche Verunsicherung gesorgt hatte. Das kann nicht im Interesse und zum Wohl der Schweizer Wirtschaft sein. Doch der weltweit wachsende "Spirit" des Wirtschaftsprotektionismus scheint sich auch hierzulande zunehmend zu verbreiten.