Der Konflikt um die an sich sehr erfolgreiche Industriegruppe entzündete sich Ende des vergangenen Jahres. Die Ankündigung der Erbenfamilie Burkard am 8. Dezember, dass sie ihre 16 Prozent des Aktienkapitals an den französischen Konzern Saint-Gobain verkaufen will, löste sofort Widerstand aus. Mit den 16 Prozent, die die Nachkommen des Firmengründers Kaspar Winkler über ihre Schenker-Winkler-Holding (SWH) halten, sind 53 Prozent der Stimmen verbunden.

Saint-Gobain würde sich die Stimmenmehrheit bei Sika 2,75 Milliarden Franken kosten lassen. Der Verwaltungsrat unter der Führung von Paul Hälg, der die heutige Generalversammlung leiten wird, stellte sich aber unmittelbar gegen den Deal. Das Hin und Her im vergangenen Dezember liess auch die Aktie massiv abstürzen: Der Kurs fiel von 3900 Franken auf 2750 Franken.

Urs Burkard wirft der heutigen Unternehmensführung vor, sich nicht mehr genügend um die Gründerfamilie gekümmert zu haben. Von einer Entfremdung war die Rede. Der Verwaltungsrat wirft der Familie hingegen vor, massiv Kasse machen zu wollen - Saint-Gobain würde deutlich mehr zahlen als den Aktienkurs. Indirekt heisst es auch, die Zukunft des Traditionsunternehmens Sika unter französischem Dach sei unsicher. Verstärkt wird dies mit dem Argument, dass es Sika - Hersteller von Abdichtungssystemen, Betonzusätzen, Klebstoffen und anderen Bauchemikalien - im Moment sehr gut geht.

Entschieden ist noch nichts

Mittlerweile hat sich der Kurs der Aktie zu einem guten Stück erholt und steht bei 3618 Franken, aber die Wirren um den Konzern gehen weiter. Interessanterweise hat der Kurs der Aktie immer dann zugelegt, wenn sich die Zeichen gegen die Übernahme durch Saint-Gobain wendeten. Endgültig entschieden ist allerdings noch nichts. Die Sika-Aktien wurden am Dienstagvormittag auf Wunsch des Unternehmens vom Handel an der SIX Swiss Exchange ausgesetzt. Die Titel könnten bis zum Ende der Generalversammlung nicht gekauft oder verkauft werden, teilte die SIX mit. Damit ist offen, ob die Papiere am Berichtstag überhaupt noch gehandelt werden können.

Schauplatz des Generalversammlung ist die Waldmannhalle in Baar ZG, dem Ort, wo Sika offiziell den Sitz hat. Die Familienaktionäre wollen VR-Präsident Hälg sowie die Verwaltungsräte Daniel Sauter und Monika Ribar loswerden und den Familienanwalt Max Roesle an der Spitze des Aufsichtsgremiums installieren. Hälg kann allerdings die Stimmrechte der Familie Burkard bzw. der Schenker-Winkler-Holding auf 5 Prozent beschränken, mit der zwar nicht wasserdichten, aber zumindest unmittelbar wirksamen Begründung, die Burkards und Saint-Gobain bildeten eine feindliche Gruppe, gegen die Statuten der Aktiengesellschaft gerichtet. Unproblematisch ist dieses Vorgehen deswegen nicht, weil Hälg damit einen komplizierten Rechtsstreit auslösen kann: Die Burkards sind bereits mehrfach an Gerichte gelangt, um ihre Rechte geltend zu machen.

Verliert Saint-Gobain vielleicht das Interesse?

Für ein Hin und Her hat auch eine Opting-Out-Klausel gesorgt. Dank dieser muss Saint-Gobain beim Kauf der SWH-Aktien kein öffentliches Übernahmeangebot an die übrigen Aktionäre unterbreiten. Die Anlagestiftung Ethos und die Stiftung von Microsoft-Gründer Bill Gates und dessen Frau Melinda will aber die Streichung der Opting-Out-Klausel. Letzter Stand: Die Übernahmekommission UEK lässt die Opting-Out-Klausel zu, die Bill & Melinda Gates Foundation will den Entscheid anfechten. Die Bill-Gates-Stiftung gehört auch zu einer Gruppe von Anteilseignern, die die Ungleichbehandlung der Aktionäre kritisch sehen und Änderungen verlangen.

Die Generalversammlung bildet einen neuen Höhepunkt in der Auseinandersetzung zwischen der Familie Burkard und dem Verwaltungsrat. Wenn VR-Präsident Hälg die 5-Prozent-Beschränkung gegen die Erbenfamilie durchsetzt, dann gewinnt der Verwaltungsrat zunächst. Rechtsverfahren könnten den geplanten Deal mit Saint-Gobain in die Länge ziehen und eine endgültige Entscheidung für die eine oder andere Seite verzögern. Die Frage stellt sich dann auch, ob Saint-Gobain weiter nach der Industrieperle Sika strebt - von deren Einverleibung in die weltumspannende Gruppe erhoffen sich die Franzosen einiges - oder ob der Konzern das Interesse verliert.
 

cash berichtet vor Ort von der Generalversammlung. Das Aktionärstreffen beginnt um 14 Uhr.