Anlegerinnen und Anleger fragen sich verwundert, wieso eine so renommierte und auf Vermögensverwaltung spezialisierte Bank wie Julius Bär einem Immobilienmogul wie René Benko Kredite über 606 Millionen Franken leihen konnte. Das Thema beschränkt sich jedoch nicht auf Julius Bär. In den vergangenen Jahren haben fast alle in der Vermögensverwaltung tätigen Banken ihre Ausleihungen stark erhöht. Der Grund: Ein seit der Finanzkrise 2008 anhaltend tiefes Zinsniveau schmälerte ihre Margen, schreibt der SonntagsBlick.

«Um dies zu kompensieren, haben die Banken das Kreditvolumen stark ausgeweitet», sagte Andreas Venditti (51), Finanzanalyst bei der Bank Vontobel. «Insbesondere Superreichen wurden Kredite schmackhaft gemacht, mit denen sie noch mehr Geld in Aktien und Immobilien investieren konnten.»

Normalerweise gehe es dabei um Hypotheken oder klassische Lombardkredite, bei denen der Kreditnehmer ein breit diversifiziertes und liquides Wertschriftenportfolio als Sicherheit hinterlegt. Besonders in Asien, so Venditti, seien solche Kredite aber auch an Kunden vergeben worden, die nur an einem einzigen, bisweilen nicht einmal börsenkotierten Unternehmen beteiligt sind: «Solche Kredite, Single Stock Loans genannt, sind deutlich risikoreicher.»

Julius Bär war bei der Kreditvergabe besonders aktiv: 2013 verbuchte die Bank 20,5 Milliarden Franken ausstehender Lombardkredite, Ende 2021 waren es 42 Milliarden – mehr als doppelt so viel. Doch auch die Schweizer Grossbanken strebten nach höheren Erträgen. Venditti: «Die Credit Suisse hat im Wealth Management ebenfalls stark auf Kredite gesetzt, die UBS ist in den vergangenen Jahren von einem deutlich tieferen Niveau aus etwas nachgezogen,» so Venditti zum SonntagsBlick.

Mehr Unbehagen bei der Finma

 

Die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht Finma sieht mehr Unbehagen auf den Finanzplatz Schweiz zukommen als im Vorjahr. Neben den bisherigen Hauptrisiken identifiziert die Finma im «Risikomonitor 2023» verschiedene Problemfelder.

Die Finma beurteilt darin das Lombardkreditportfolio der Schweizer Banken so: »Es besteht die Möglichkeit, dass die von den Banken angewendeten Sicherheitsabschläge (Haircuts) zu niedrig sind.« Wenn die Kundschaft in solchen Fällen ihrer Nachschusspflicht nicht mehr nachkomme, könnte dies zu »Kreditausfällen und Verlusten« führen. »Ebenso können sich Konzentrationsrisiken ergeben, wenn die Ausleihungen nur auf einzelnen (Single Stock Lending) oder wenig diversifizierten Sicherheiten basieren", so die Finma weiter.

Dabei handelt es sich laut dem am Donnerstag veröffentlichten Bericht um die Bereiche Liquidität und Refinanzierung sowie die Auslagerung von Geschäftsaktivitäten.

Untergang der Credit Suisse

Das Liquiditäts- und Refinanzierungsrisiko beinhaltet gemäss Finma die Gefahr, dass Institute im Krisenfall nicht über ausreichend liquide Mittel verfügen, um ihren Verpflichtungen nachzukommen. Gespeist werden könnte dieses Problem etwa durch einen erhöhten Bedarf für Sicherheiten, Rating-Herabstufungen oder rasche Abflüsse von Kundengeldern.

Letzteres galt beim Untergang der Credit Suisse als eine der Hauptursachen für den Kollaps der Grossbank, die dann von der UBS übernommen wurde. Ein solcher sogenannter «Bank-Run» kann laut Finma eine «Stresssituation mit einer unaufhaltbaren Abwärtsspirale» auslösen.

Nachholbedarf beim Outsourcing

Das zweite neue Risiko für Finanzhäuser ortet die Finma im Outsourcing, der Auslagerung von Geschäftsaktivitäten. Die Abgabe von «wesentlichen Funktionen an Drittparteien wirkt als Treiber von operationellen Risiken», so das Verdikt.

Der Unterbruch solcher Funktionen könne im Extremfall die Stabilität des Finanzmarktes beeinträchtigen. Die Steuerung und Überwachung der Dienstleistungserbringer sei daher auch Sache der Auftraggeber, um die operative Funktionsfähigkeit sicherstellen zu können.

«Die Verantwortung für die ordnungsgemässe Geschäftsführung lässt sich nicht delegieren und erstreckt sich demnach auch auf die Auslagerung», heisst es im Bericht dazu. Die Finma habe in diesem Bereich festgestellt, dass insbesondere bei der «Identifikation der gesamten Lieferkette und der damit verbundenen Risiken» noch ein gewisser Nachholbedarf bestehe.

(cash/AWP)

Zu den bereits im letzten Jahr kommunizierten Risiken zählen ausserdem gemäss Finma weiterhin Zinsrisiken, Kreditrisiken bei Hypotheken, Kreditrisiken bei übrigen Krediten, Credit-Spread-Risiken, Cyber-Angriffe, Risiken im Bereich der Geldwäschereibekämpfung sowie ein erschwerter grenzüberschreitender Marktzugang.

KI-Einsatz prüfen

Dem Thema Künstliche Intelligenz (KI) im Schweizer Finanzmarkt misst die Finma im diesjährigen Risikomonitor ebenfalls Gewicht bei. Benennt werden Herausforderungen, die sich etwa im Rahmen von KI-Entscheidungen, der Zuverlässigkeit von KI-Anwendungen, der Transparenz und Erklärbarkeit von KI-Entscheidungen sowie der Gleichbehandlung von Kunden ergeben.

Die Finma fordert von den Finanzinstituten, dass sie die damit verbundenen Risiken «angemessen behandeln». Dies soll unter der Anwendung eines risikobasierten Ansatzes und des Proportionalitätsprinzips auch dementsprechend geprüft werden, schreibt die Aufsichtsbehörde.

(cash/AWP)