Die Leitzinsen in der Schweiz bleiben bei minus 0,75 Prozent. Das gab die Schweizerische Nationalbank am Donnerstag in Bern anlässlich ihrer vierteljährlich stattfindenden geldpolitischen Lagebeurteilung bekannt. Dieser Entscheid war im Markt erwartet worden. Seit eineinhalb Jahren müssen Finanzinstitute ab einem gewissen Betrag auch einen Strafzins von 0,75 Prozent zahlen, wenn sie Geld bei der SNB lagern. 

"Der Franken bleibt nach wie vor deutlich überbewertet", sagte SNB-Präsident Thomas Jordan an einer Medienkonferenz in Bern. Der Negativzins der SNB mache Anlagen in Franken weniger attraktiv. Die expansive SNB-Geldpolitik habe geholfen, den Franken abzuwerten, so Jordan weiter. Die Nationalbank entscheide auch situativ, wann sie am Devisenmarkt intervenieren werde, um Einfluss auf die Wechselkursentwicklung zu nehmen.

Die SNB will die Entwicklung des Franken rund um die Abstimmung über einen EU-Austritt Großbritanniens genau im Auge behalten. Im Zuge des Brexit-Votums könne es vermehrt zu Unsicherheiten und Turbulenzen kommen, sagte Jordan weiter. "In diesem Zusammenhang werden wir die Lage genau beobachten und bei Bedarf Maßnahmen ergreifen." 

Negativzinsen und Stützungskäufe am Devisenmarkt sind seit der Aufhebung des Euro-Mindestkurses Anfang 2015 die Hauptinstrumente der SNB im Kampf gegen den starken Franken. Zwischenzeitlich hatten die Währungshüter damit auch Erfolg, und der Franken schwächte sich etwas ab.

Doch zuletzt flüchteten viele Investoren aus Angst vor den unabsehbaren Folgen eines Brexits in den sicheren Hafen Schweiz: Der Franken hat zum Euro seit dem Start der vergangenen Handelswoche knapp drei Prozent an Wert gewonnen und die stärkste Aufwertung innerhalb einer Woche seit der Aufhebung des Mindestkurses verbucht. Am Donnerstag nach dem Zinsentscheid notiert der Franken kaum verändert bei 1,0820 gegen den Euro.

Brexit: Kopf-an-Kopf-Rennen in Grossbritannien

In einer Woche könnte die Lage für die SNB in der Tat schon ganz anders sein. Derzeit liefern sich in Grossbritannien Befürworter und Gegner eines Austritts aus der EU ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Sollten sich die Briten mehrheitlich für einen Austritt entscheiden, dann erwarten Experten übereinstimmend, dass der Franken gegenüber dem britischen Pfund und dem Euro massiv teurer werden wird. 

Sollte sich bestätigen, was die Nervosität vorweg nimmt, sollten die Briten die EU verlassen wollen, dann wird die SNB unmittelbar eingreifen müssen: mit massiven Interventionen auf den Devisenmärkte und allenfalls mit einer Verschärfung des Negativzinses, um Anleger davon abzuhalten, ihr Geld in den sicheren Hafen des Frankens zu bringen.

Schon wichtige Notenbanken wie die Europäische Zentralbank Anfang Juni und die amerikanische Fed am Mittwoch beliessen im Hinblick auf das Brexit-Votum der Briten am 23. Juni ihre Geldpolitik unverändert. 

Konjunkturentwicklung der Schweiz

Bezüglich Konjunkturentwicklung im laufenden Jahr rechnet die SNB unverändert mit einem BIP-Wachstum von "rund 1 bis 1,5 Prozent". Die Weltwirtschaft setze ihre moderate Erholung fort und dürfte dies auch in den kommenden Quartalen tun, so die SNB. Besonders fortgeschritten sei sie in den USA, in der Eurozone gewinne das Wirtschaftswachstum allmählich an Breite. In China bleibe das Wachstum dank der wirtschaftspolitischen Massnahmen zur Stimulierung der Nachfrage "robust", so die SNB-Einschätzung.

Die Risiken für die Weltwirtschaft bleiben jedoch erheblich, warnt sie. Zudem könne es im Zusammenhang mit der bevorstehenden Abstimmung in Grossbritannien über den weiteren Verbleib in der Europäischen Union vermehrt zu Unsicherheiten und Turbulenzen kommen.

Die Inflationsprognosen für die Schweiz wurden gegenüber März leicht angehoben. Für 2016 wird die Inflation im Durchschnitt bei -0,4 Prozent nach -0,8 Prozent, für 2017 bei +0,3 Prozent (alt: +0,1%) und für 2018 unverändert bei +0,9 Prozent gesehen. Grund dafür sei der zuletzt deutlich gestiegene Ölpreis. Die bedingte Inflationsprognose beruht wie immer auf der Annahme, dass der Dreimonats-Libor über den gesamten Prognosezeitraum unverändert bleibt.

(Mit Material von SDA, Reuters und AWP)