Nach dem dramatischen Zwischenfall mit einem herausgebrochenen Kabinen-Teil bei einer brandneuen Boeing 737 Max 9 in knapp 4900 Metern Höhe lässt die US-Flugaufsicht FAA 171 Maschinen des Typs vorerst nicht mehr starten. «Sie bleiben am Boden, bis sich die FAA davon überzeugt hat, dass sie sicher sind», teilte die Behörde am Sonntag mit. Andere Behörden weltweit haben ebenfalls Überprüfungen angeordnet. «Wenn sich schwere Unfälle wie dieser ereignen, ist es für uns von entscheidender Bedeutung, mit unseren Kunden und den Aufsichtsbehörden transparent zusammenzuarbeiten, um die Ursachen des Vorfalls zu verstehen und zu beheben und sicherzustellen, dass sich so etwas nicht wiederholt», schrieb Boeing-Chef Dave Calhoun an die Mitarbeiter. Die Reaktion auf den Vorfall «ist und muss der Fokus» des Unternehmens sein.
Das Bauteil war am Freitagabend nach dem Start bei einem erst acht Wochen alten Jet der Alaska Airlines mit 177 Menschen an Bord herausgebrochen und hatte ein türgrosses Loch auf Höhe der Sitzreihen gerissen. Die Piloten konnten mit der Maschine jedoch umkehren und notlanden. Es gab nur wenige Leichtverletzte. Die US-Verkehrssicherheits-Behörde NTSB erklärte, die Ursache des Vorfalls sei noch unklar.
Die 737 des Airbus-Rivalen war auf dem Flughafen Portland in Oregon gestartet. Die Behörden dort suchten auch am Sonntag die Vororte nach dem weggeflogenen Teil ab und baten die Bevölkerung um Mithilfe. Es handelt sich um ein Paneel, das in einigen Flugzeugen anstelle eines zusätzlichen Notausgangs eingebaut wird.
Die NTSB-Vorsitzende Jennifer Homendy sagte, es sei grosses Glück, dass der Vorfall nicht tragischer ausgegangen sei. Teile des Sitzes neben dem herausgebrochenen Teil des Rumpfes und die Kopfstütze fehlten. Der Sitz selbst war während des Fluges nicht besetzt. An der Stelle in der Kabine wird oft eine zusätzliche Ausgangstür von Billig-Airlines eingebaut, die mehr Sitze haben und zusätzliche Evakuierungswege benötigen. Bei Jets mit weniger Sitzen gibt es dies nicht. Für Passagiere sieht der Bereich wie ein normaler Fensterplatz aus.
Die meisten Flugzeuge des Boeing-Modells 737 Max 9 werden in den USA von United Airlines und Alaska Airlines betrieben. Turkish Airlines, Panamas Copa Airlines und Aeromexico haben ebenfalls ein vorläufiges Flugverbot verhängt. Die Massnahmen könnten bei einigen Airlines zu mehrtägigen Störungen im Flugplan führen.
Der Rumpf der 737 wird von der US-Firma Spirit AeroSystems hergestellt, die sich 2005 von Boeing getrennt hat. Möglicherweise spielt nach Angaben von Insidern aber auch Boeing selbst eine Rolle, da es normalerweise die halb montierte linke Türverkleidung entferne, um die Kabinenausrüstung einzubauen und die Produktion zu beschleunigen.
Es ist der jüngste Vorfall mit Boeings meistverkauftem Modell, das nach Abstürzen 2018 und 2019 in Indonesien und Äthiopien mit insgesamt 346 Toten aus Sicherheitsgründen fast zwei Jahre lang am Boden bleiben musste. Es stellte sich heraus, dass eine mangelhafte Cockpit-Software für die Abstürze verantwortlich war. Vor wenigen Tagen hatte Boeing seine Kunden aufgefordert, alle 737 MAX-Flugzeuge auf eine möglicherweise lose Schraube im System der Rudersteuerung hin zu überprüfen.
(Reuters)