Ab Januar 2016 gibt mit der Alternativen Bank (ABS) erstmals eine Schweizer Bank die Negativzinsen direkt an ihre Kleinkunden weiter. Alle Alltagskonten für den privaten Zahlungsverkehr werden künftig mit 0,125 Prozent Negativzins "bestraft". Ab 100'000 Franken Einlage verrechnet das Geldhaus aus Olten bereits seit dem 1. April 2015 den Negativzins der Schweizerischen Nationalbank (SNB) von 0,75 Prozent vollumfänglich weiter.

Auch andere Banken haben 2015 "Strafzinsen" für Firmen- und vermögende Private-Banking-Kunden eingeführt. Neu ist nun, dass auch die "Kleinen" - also Private mit einem Guthaben unter 100'000 Franken - bluten müssen. Bankenprofessor Maurice Pedergnana sagte gegenüber Radio SRF, der Schritt der ABS erstaune ihn überhaupt nicht. Er werde Schule machen.

Hört man sich aber bei anderen Banken-Experten um, gehen die Meinungen allerdings auseinander. "Ich erwarte nicht, dass der Strafzins der ABS als Präzedenzfall bezeichnet werden kann", sagt Benjamin Manz, Geschäftsführer des Vergleichdienstes Moneyland.ch, auf Anfrage von cash. Die Alternative Bank habe eine spezielle Klientel, die schon früher wusste, dass sie bei anderen Banken attraktivere Konditionen hätte. Der Nachhaltigkeitsgedanke stehe dabei im Zentrum.

"Wer Negativzinsen einführt, bezieht Prügel"

Bisher hat denn auch keine andere Schweizer Bank angedeutet, den SNB-Strafzins an Sparer weiterzugeben. So plant zum Beispiel die Migros Bank derzeit keine direkte Abwälzung auf seine Privatkunden. Man würde die Marktsituation zwar ständig beobachten, "die Einführung von Negativzinsen für Privatkonten ist derzeit aber kein Thema", sagt Urs Aeberli, Mediensprecher der Migros Bank, gegenüber cash. "Denn wer als Erster die Negativzinsen einführt, bezieht die Prügel."

Diese Prügel will man bei der Migros Bank und auch anderswo vermeiden. Für Aeberli kommen Negativzinsen für Privatkonten erst in Frage, wenn die SNB die Negativzinsen drastisch erhöhen würde. Und dann wären zunächst die ganz Grossen unter Zugzwang: "Systemrelevante Banken zählen zu den Ersten, die bei einer Ausweitung der Negativzinsen unter Druck kämen, da sie hohe regulatorische Anforderungen einzuhalten haben", so Aeberli.

Gänzlich unrealistisch ist ein solches Szenario allerdings nicht. Die SNB deutete mehrfach an, dass sie bei Bedarf die Negativzinsen ausweiten könnte. Branchenkenner gehen auch davon aus, dass die Banken Strafzinsen für alle Konteninhaber in einer konzertierten Aktion einführen würden. Einzelaktionen von grösseren oder mittelgrossen Instituten will man in einem solchen Fall offenbar vermeiden.

Kunden zahlen Negativzinsen indirekt

Auch wenn die Banken momentan noch davor zurückschrecken, mit Strafzinsen die eigenen Kunden zu vergraulen und das eigene Image zu ramponieren, sind Kunden keinesfalls fein raus: Sie bezahlen für die Negativzinsen weiterhin indirekt durch höhere Gebühren bei den Hypotheken, Kreditkarten oder der Kontoführung. Für Manz von Moneyland.ch ist dies ein marketingtechnisch geschickter Feldzug, denn "der Negativzins schmerzt psychologisch mehr als höhere Gebühren, auch wenn es die Bankkunden gleichermassen betrifft."

Banken halten sich vor allem an den Hypothekarschuldnern schadlos, wie eine vor Wochenfrist veröffentlichte Studie zeigt. Sie kompensieren die Verluste bei den Kundeneinlagen mit deutlich höheren Margen im Kredit- und Hypothekargeschäft.

Die unabhängige Vermögensberaterin Anita Rüegsegger rät allen Bankkunden deshalb, verstärkt auf die Kosten zu achten und diese zu vergleichen. Bei vielen Bündelangeboten von Banken sei dies jedoch gar nicht so einfach: "Pauschaltarife wirken auf die Leute zwar attraktiv, sind aber in Wahrheit sehr intransparent", sagt Rüegsegger. Möglicherweise gehe die ABS einfach transparenter vor als andere Banken, welche die Negativzinsen anderweitig kompensieren würden.

Alternativen zu Bankkonten

Sollte die Gebührenlast zu viel werden beziehungsweise wider Erwarten plötzlich doch grossflächig Privat- und Sparkonten negativ verzinst werden, so bleiben Sparern verschiedene Fluchtmöglichkeiten:

Bankwechsel: Als erste Reaktion bietet sich ein Wechsel zu einer Bank an, welche noch keine Negativzinsen für das Konto in Rechnung stellt beziehungsweise keine hohen Gebühren verrechnet. Grundsätzlich haben jedoch viele Privatkunden eine Status-Quo-Vorliebe. Rüegsegger begründet dies mit dem Aufwand, der durch einen Bankwechsel notwendig ist. Es brauche in der Regel eine grosse Verärgerung, bis ein Kunde tatsächlich die Bank wechsle.

Bargeld horten: Tresore und Tausendernoten boomen derzeit (cash berichtete). Es ist anzunehmen, dass das Bargeld als Alternative zum Bankkonto bei direkter Überwälzung der Negativzinsen noch lukrativer wird. Dabei sollte unbedingt beachtet werden, dass auch diese Option nicht gratis ist. Die Lagerung in einem Bankschliessfach oder im eigenen Tresor kostet ebenfalls, und auch das Horten unter dem Kopfkissen ist nicht unproblematisch, zumal die Wahrscheinlichkeit eines Diebstahls besteht.

In andere Anlageklassen investieren: Bereits jetzt gelten Aktien wegen des Tiefstzinsumfeldes als attraktivste Anlageklasse. Wer jedoch sein Geld  in Aktien investiert, ist den Kursschwankungen der Börse ausgesetzt und kann unter Umständen viel Geld verlieren. Ausserdem fallen auch Depotgebühren und Courtagen an. Wer sein Geld für eine bestimmte Dauer nicht braucht, kann auch den Kauf einer Kassenobligation ins Auge fassen. Diese werden von Banken zu einem fixen Zinssatz und einer festen Laufzeit ausgegeben. Die Papiere unterliegen dem Einlegerschutz beziehungsweise der Staatsgarantie.