Die Schweizer Wirtschaft leidet, aber sie lebt. So könnte das Fazit ein Jahr nach der überraschenden Aufhebung der Euro-Franken-Untergrenze lauten. Vielerorts wurden nach dem sogenannten "Frankenschock" eine Rezession und ein starker Anstieg der Arbeitslosigkeit vorausgesagt. Doch das traf nicht ein. "Man erwartete eine schnellere und heftigere konjunkturelle Abkühlung", sagt Daniel Kalt, Chefökonom der UBS Schweiz.

Die Effekte würden erst allmählich und über einen längeren Zeitraum verteilt sichtbar, die gesamte Schweizer Wirtschaft werde wohl über einen längeren Zeitraum abgebremst, so Kalt im Video-Interview.

2015 dürfte die Schweizer Wirtschaft nur noch um 0,7 Prozent gewachsen sein, wie die Befragung von 20 Experten durch die Konjunkturforschungsstelle KOF kürzlich ergab. Für die konjunkturelle Entwicklung 2016 wird ein BIP-Wachstum von 1,1 Prozent erwartet. Die Arbeitslosenquote, die im Dezember auf 3,4 Prozent stieg, ist im internationalen Vergleich immer noch auf einem tiefen Niveau.

Bremsspuren sind sichtbar

Dennoch hinterlässt der starke Schweizer Franken allmählich Bremsspuren in der hiesigen Wirtschaft. Verlagerungen ins Ausland und Stellenabbau sind sichtbare Folgen davon. So wurde gestern Mittwoch bekannt, dass der US-Konzern General Electric - seit zwei Monaten im Besitz der früheren Energiesparte von Alstom - in der Schweiz 1300 Stellen abbaut.

Und der Strukturwandel wird weiter voranschreiten, sind sich Experten einig. "Der Prozess der Verlagerung, vom kontinuierlichen Stellenabbau wird weitergehen", sagt UBS-Ökonom Kalt. Eine schleichende Deindustrialisierung sei bereits in Gang gewesen, nun laufe sie beschleunigt ab.

Bereits werden Stimmen laut, die staatliche Hilfe für Schweizer Unternehmen fordern. Dazu gehört Raiffeisen-Chefökonom Martin Neff. Er empfiehlt eine Hilfe durch den Staat, um einigen Schweizer Unternehmen, die "Unterstützung verdient hätten", unter die Arme zu greifen, wie kürzlich gegenüber cash sagte. Die Hilfe sei gerechtfertigt, weil alle anderen Länder ihre Währungen manipulieren würden oder in einer anderen Form intervenierten. Nur die Schweiz nicht.

Strukturwandel kommt sowieso

Daniel Kalt gehört nicht zu diesem Lager. Er sagt: "Die Deindustrialisierung kann man nicht aufhalten. Es wäre auch nicht der richtige Weg, den Strukturwandel, der sowieso kommt, zu verzögern."

Aber was kann die Schweiz in dieser Situation tun? Laut Kalt muss die Schweiz dafür sorgen, dass sie wettbewerbsfähig bleibt und in neuen Industrien wachsen oder sich verstärken kann, zum Beispiel im IT-Bereich. Oder in der Pharmaindustrie, wo mehrere Schweizer Firmen bereits zur Weltspitze gehören.

(mit Material von AWP und SDA)