Trotzdem will die Bundesregierung künftig mehr Möglichkeiten haben, kritische Transaktionen genauer unter die Lupe nehmen zu können.Die entsprechende Änderung des Aussenwirtschaftsgesetzes (AWG) wird am Mittwoch im Bundestag beraten, eine Verordnung für mehr Prüfmöglichkeiten im Gesundheitssektor soll demnächst im Kabinett verabschiedet werden. Die Wirtschaft warnt, der Bogen dürfe nicht überspannt werden. Deutschland solle auch nach der Corona-Krise für Investoren aus der ganzen Welt attraktiv bleiben.

Auch die Opposition im Bundestag spart nicht mit Kritik: "Die Bundesregierung tappt bei der Prüfung ausländischer Investoren im Dunkeln", sagte der Linken-Finanzpolitiker Fabio De Masi am Dienstag der Nachrichtenagentur Reuters. Eigene Daten fehlten weitgehend. In einer Antwort des Bundeswirtschaftsministeriums auf eine Anfrage von De Masi heisst es, es gebe keine generell gültige Definition von kritischen Technologien, die die Regierung besonders schützen wolle.

Veto-Recht ab zehn Prozent

Das Ministerium werde aber über Verordnungen bestimmte Technologien festlegen. Dort soll dann künftig ab einem Einstieg von zehn Prozent der Staat ein Veto-Recht haben - statt bisher bei 25 Prozent.

Doch ist das überhaupt nötig? Laut Ulrich Nussbaum, Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, gab es seit 2010 rund 600 Investitionsprüfverfahren. Nur in einem Fall im Jahre 2019 wurde ein Erwerb von Firmenanteilen untersagt. Details dazu nannte Nussbaum in der Antwort auf die Fragen der Linken nicht. Bei allen Verfahren wurde geprüft, ob es eine "tatsächliche Gefährdung" der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit durch die geplanten Firmenbeteiligungen gibt.

Die Bundesregierung will einen Ausverkauf an Investoren etwa aus China unbedingt verhindern, zumal die Aktienkurse vieler Unternehmen in der Corona-Krise zuletzt eingebrochen und Firmen so leichter zu schlucken sind. Künftig soll es schon bei einer "voraussichtlichen Beeinträchtigung" der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit Prüfmöglichkeiten für die Regierung geben.

Kritik: Regierung sollte sich für freie Märkte einsetzen

"Die Ausweitung der Ermächtigung der Bundesregierung ist zu weitgehend", kritisierte Stefan Mair vom Industrieverband BDI zuletzt. "In Krisenzeiten wie diesen ist es wichtiger denn je, ein Zeichen für offene Märkte zu setzen." Aussenwirtschaftschef Volker Treier vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag ergänzte, es bestehe das Risiko, dass der erweiterte Prüfrahmen der Regierung den Boden für eine stärker staatlich gelenkte Wirtschaft bereite.

Als Reaktion auf die Coronavirus-Pandemie will die Regierung kurzfristig auch Beteiligungen von Investoren ausserhalb der EU an Firmen aus dem Gesundheitssektor stärker unter die Lupe nehmen. Die Details der dazu geplanten Verordnung werden wohl im Mai ins Kabinett kommen. Es dürfte um Unternehmen gehen, die etwa Impfstoffe, Medikamente, Schutzausrüstung oder ähnliches entwickeln beziehungsweise produzieren.

Auch kritische Rohstoffe und wichtige Dienstleister sollen berücksichtigt werden. "Die Ansätze sind nachvollziehbar, die Ausgestaltung überspannt tendenziell den Bogen", sagte Rechtsanwalt Jan Bonhage von der Grosskanzlei Hengeler Mueller. "Zum Beispiel werden bei schutzwürdigen Produzenten auch Zulieferer von Vorprodukten einbezogen – etwa bei Schutzmasken Spinnvlies, was eigentlich ein ganz gewöhnlicher Stoff ist und keinesfalls ein sensitives Produkt."

Meldepflicht und staatliche Prüfmöglichkeiten

Bis zum Herbst will das Wirtschaftsministerium weitere Bereiche kritischer Infrastruktur festlegen - zum Beispiel Künstliche Intelligenz, Robotik, Halbleiter, Biotechnologie und Quantentechnologie. Auch hier dürfte es dann eine Meldepflicht und staatliche Prüfmöglichkeiten ab einem Erwerb von zehn Prozent der Firmenanteile geben.

Die Autoindustrie wird dabei wahrscheinlich nicht ausdrücklich erwähnt werden. Das könnte bei Daimler noch eine Rolle spielen. Denn die chinesischen Unternehmen Geely und BAIC sind am Stuttgarter Autobauer beteiligt - Geely mit knapp zehn Prozent, BAIC mit fünf Prozent. Insidern zufolge kommt BAIC aber mit Paketen, die momentan bei Banken liegen, auch auf rund zehn Prozent an Daimler.

Das Wirtschaftsministerium wollte sich nicht konkret zu dem Fall äussern. In der Antwort an die Linken heisst es aber, dass Investoren aus dem Nicht-EU-Ausland im Rahmen von Investitionsverfahren nur zusammen überprüft werden, wenn die entsprechenden Unternehmen auch eine Vereinbarung zur gemeinsamen Ausübung von Stimmrechten abgeschlossen haben.

(Reuters)