Tamiflu bescherte Roche Umsätze in Milliardenhöhe. Regierungen gingen beim Basler Pharmaunternehmen ein und aus, um sich mit dem Grippemedikament gegen Pandemien einzudecken.

Doch diese Zeiten gehören endgültig der Vergangenheit an. In Expertenkreisen wird die Wirksamkeit der einst gefeierten Wunderwaffe gegen Pandemien zunehmend angezweifelt.

Druck aus Grossbritannien

Insbesondere in Grossbritannien nimmt der Druck auf Roche deshalb zu. Den Baslern wird vorgeworfen, der Öffentlichkeit Studienergebnisse vorzuenthalten und die Wirksamkeit von Tamiflu absichtlich zu verschleiern. Von den mehr als 123 in Auftrag gegebenen Studien seien zu 60 nie Ergebnisse publik gemacht worden, so lautet der Vorwurf. Britische Politiker fordern deshalb, dass das staatliche Gesundheitssystem NHS umgerechnet 750 Millionen Franken für frühere Lieferungen des Medikaments zurückverlangen.

Grossbritannien ist nur eines von zahlreichen Ländern, welche vor Jahren grössere Tamiflu-Vorräte zur Bekämpfung zukünftiger Vogel- oder Schweinegrippepandemien aufgebaut haben. Die Regierungen dieser Länder kämen in Erklärungsnot, sollte sich die Wirksamkeit des Medikaments nicht wesentlich von jener von Placebo abheben können.

Sollte Grossbritannien Schadenersatzansprüche geltend machen, könnten weitere Länder mit ebensolchen folgen. Denn auch in den USA werden auf politischer Ebene solche Forderungen laut.

Roche spielt auf Zeit

Am Hauptsitz von Roche in Basel übt man sich indes in Schadensbegrenzung. Anfang April ergriff das Pharmaunternehmen die Flucht nach vorn und erklärte sich bereit, der Öffentlichkeit die geforderten Studienergebnisse vorzulegen. Seither spielen die Firmenverantwortlichen auf Zeit.

Ein über das Wochenende in der «New York Times» erschienener Artikel könnte den Druck auf Roche zusätzlich verstärken und dafür sorgen, dass die Kontroverse rund um Tamiflu auch hierzulande wieder zum Thema wird. Der einstige Erfolg mit dem Grippemedikament droht für die Basler immer mehr zum Bumerang zu werden.