Etwa 9 Prozent der grössten Unternehmen Europas könnten nach Meinung der Strategen der Bank of America als Zombies eingestuft werden - Firmen, denen ein Zusammenbruch droht, wenn die Unterstützung austrocknet.

Nachdem der Absturz von Lehman Brothers die globalen Märkte in eine Krise gestürzt hatte, gab ein Jahrzehnt der lockeren Geldpolitik den Staaten die Atempause, ihre Haushalte in Ordnungzu bringen und ermöglichte eine lebhafte Wiederbelebung der Unternehmensgewinne. Während sich die Zentralbanker nun mit dem Gedanken beschäftigen, die Stimuli aus Angst vor einer Konjunkturüberhitzung zurückzufahren, könnten potenziell düstere Aussichten für anfällige Unternehmen womöglich den Tatendrang bremsen, sagt Bank of America.

"Die monetäre Unterstützung in Europa in den letzten fünf Jahren hat es Firmen mit schwacher Profitabilität ermöglicht, ihre Schulden weiter zu refinanzieren und Zahlungsausfälle abzufangen", schreiben die Analysten der Bank in einer Notiz. "Das unterstützt das Argument unserer Ökonomen, dass nämlich die EZB wahrscheinlich sehr langsam und geduldig sein wird, wenn es darum geht, ihre ausserordentlichen Anreize in den nächsten anderthalb Jahren abzubauen."

Gewinn im Verhältnis zum Zinsaufwand

Die Strategen klassifizieren Zombies als Euro-Stoxx-600-Firmen ausserhalb der Finanzbranche mit Interest-Coverage-Quoten - also Gewinnen im Verhältnis zum Zinsaufwand - von 1 oder weniger. Die These dabei ist, dass Unternehmen in dieser Kategorie besonders anfällig für steigende Zinsen sind.

Etwa 6 Prozent der europäischen Unternehmen hatten eine Quote von weniger als 1 am Vorabend des Lehman-Zusammenbruchs - ein Prozentsatz, der auf 5 Prozent im Jahr 2013 absank, als sich die Staatsanleihenkrise des Euro-Raums abkühlte. Dann kletterten die Zombies auf einen Anteil von bis zu 11 Prozent im Juni 2016 hoch, vor einer Entspannung in den letzten Monaten.

Unternehmen aus der Energiebranche (wegen der niedrigen Ölpreise) und solche aus Südeuropa (vor allem kleinere mit einer schwacher Gewinn-Generierung aufgrund schwachen Wachstums) machen einen unverhältnismässigen hohen Anteil der Zombie-Welt aus, laut Bank of America.

Eines darf dabei nicht vergessen werden: Unterschiedlichen Metriken erzählen unterschiedliche Geschichten über den Zustand der Firmenverschuldung. Einige Investoren beispielsweise nennen Wachstumsprojektionen und Massstäbe wie das Verhältnis von Nettoverschuldung zu Gewinnen als Gründe dafür, dass Anleihekäufer heiterer gestimmt sein könnten. Aber die Interest-Coverage-Quote ist besonders nützlich bei Prognosen dazu, wie Unternehmen die Schuldenkosten aus ihren Gewinnen abdecken können, wenn die Zinskosten steigen.

Zu den Unternehmen mit Quoten von weniger als 1 gehören der italienische Sender Mediaset, das schwedische Energieunternehmen Lundin Petroleum, der französische Werbekonzern Publicis Groupe und die niederländische Kabelgruppe Altice, zeigen Daten von Bloomberg.

Schrittweise Straffung

Der eher den Tauben zuzurechnende Ton der EZB vor wenigen Tagen - die Währungshüter schoben eine Entscheidung über die Zukunft ihres Anleihekaufprogramm bis möglicherweise Oktober auf - bestätigt, dass die Notenbank schrittweise mit einer Straffung beginnen wird, sagt Bank von Amerika. 

Die Bank rechnet damit, dass die EZB im Januar 2018 mit dem Tapering beginnen wird, mit einer ersten Erhöhung des Einlagensatzes im Frühjahr 2019. Der Markt insgesamt rechnet derweil mit einer Heraufsetzung im Oktober 2018, wie aus von Bloomberg zusammengestellten Daten zu Overnight-Index-Swap-Kontrakten hervorgeht.

Ähnliche Studien kommen ebenfalls zum Schluss, dass Zombie-Firmen die Landschaft entwickelter Märkte verunreinigen, woran vor allem die lockere Geldpolitik Schuld sei. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung OECD warnt beispielsweise, dass Zombie-Firmen die Produktivität senken, da Kapital und Arbeit in der Wirtschaft falsch verteilt sind.

Die EZB würde daher eine grosse Gegenreaktion riskieren, falls sie die Geldpolitik zu früh strafft. Einen "Kreditkoller" zu erlauben, "das würde nur wieder die Zinskosten der Unternehmen unter Druck setzen und könnte zu einem Anstieg der Zombies führen", stellen die Analysten der Bank abschliessend fest.

(Bloomberg)