Auf den Luft- und Seehäfen in China harzt wegen der Covid-Lockdowns der Warenumschlag. Die Staus in den US-Seehäfen halten an. Und wegen des gesperrten russischen Luftraums müssen Flugzeuge weite Umwege fliegen. Kurzum: Die Logistik-Welt ist aus den Fugen.

Für Kühne+Nagel bietet dies Chancen. "In solch schwierigen Zeiten sind unsere Erfahrung, unsere IT-Systeme sowie unsere langjährigen Beziehungen zu Reedern, Fluggesellschaften und Truckern besonders viel wert", sagte CFO Markus Blanka-Graff am Dienstag zu AWP. Der Preis für Logistikdienstleistungen sei für viele Kunden derzeit zweitrangig. Zentral sei, dass die Ware überhaupt transportiert werde.

Viel mehr Gewinn

Dies zeigt sich in den Ergebnissen. So stieg der Nettoumsatz im Startquartal um satte 68 Prozent auf 10,16 Milliarden Franken. Und der Rohertrag nahm um 46 Prozent auf 2,94 Milliarden zu. Mit dieser Zahl wird ausgedrückt, wie viel Geld bei Kühne+Nagel bleibt, nachdem die oft schwankenden Frachttarife der Reeder und Fluggesellschaften beglichen wurden.

In der Folge verbesserten sich auch die Gewinnzahlen massiv. Der operative Gewinn (EBIT) kam bei 1,12 Milliarden nach 431 Millionen zu liegen, der Reingewinn bei 832 nach 318 Millionen im Vorjahr. Und die Konversionsrate, die das Verhältnis von EBIT zu Rohertrag beschreibt, lag mit 38,1 Prozent weit über dem langfristig gesetzten Durchschnittsziel von 16 Prozent. Mit diesen Zahlen wurden die Analystenerwartungen auf allen Stufen klar übertroffen.

Keine Entspannung in Sicht

Finanzchef Blanka-Graff geht davon aus, dass sich am Umfeld in nächster Zeit nichts ändern wird. Es gebe keine Anzeichen dafür, dass sich die Staus in China und den USA bald lösen würden. "Alles in allem gehen wir davon aus, dass das Umfeld im zweiten Quartal ähnlich sein wird wie im ersten." Eine Prognose für die Zeit danach sei nicht möglich.

Obwohl man bis zu einem gewissen Grad vom garstigen Umfeld profitiert, erhofft sich der CFO eine Lösung all der Schwierigkeiten. "Auch wir wünschen uns, dass Lieferketten wieder normal funktionieren und unsere Mitarbeiter nicht jeden Tag erschöpft nach Hause gehen."

Bekanntlich bedeuten die globalen Lieferkettenprobleme für die 78'000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gewaltigen Mehraufwand. Sie müssen kurzfristig alternative Routen finden und die Waren öfter umladen. Das Unternehmen sprach zuletzt von einem zum Teil "vier- bis fünffachen Aufwand" pro einzelne Sendung.

Aktie im Minus

An der Börse zählen die Aktien von Kühne+Nagel am Dienstag trotz der guten Zahlen zu den Verlierern. Kurz vor Mittag notiert das Papier in einem anziehenden Gesamtmarkt mehr als 2 Prozent im Minus.

Händler verweisen auf Analystenkommentare, wonach der aktuelle Höhenflug von Kühne+Nagel stark von den aktuellen Lieferkettenproblemen getrieben sei - und dass bei einer Normalisierung der Lage schlechtere Zahlen drohten.

(AWP)