Kames Capital managt unterschiedliche Anlageklassen. Der Favorit in den vergangenen Monaten hat sich klar herausgestellt: "Seit Jahresanfang hat uns die Stärke des europäischen Aktienmarktes überrascht", sagt Anlagechef Stephen Jones im cash-Video-Interview. So sei man bei bei europäischen Aktien durchaus positiv gestimmt gewesen, die Rallye habe aber schneller an Fahrt gewonnen, als dies die Investmentspezialisten von Kames Capital angenommen hätten.

Schub komme unter anderem von "echtem Wachstum", und gute Unternehmenszahlen hätten die Aktienmärkte weiter unterstützt. Kames Capital setze nun bei Aktien- und Multi-Asset-Investments verstärkt auf Europa: "Wir übergewichten dies nun beispielsweise gegenüber den USA oder anderen entwickelten Märkten." Bisher sei man nicht enttäuscht worden.

Bankensektor glänzt

Der Bankensektor, den Kames Capital in einem Erneuerungsprozess sieht, macht den Anlagespezialisten des schottischen Asset-Management-Hauses besonders Freude. "Siebeneinhalb Jahre nach der Finanzkrise sind die Kapitalausstattungen und die Bilanzen wieder in einem guten Zustand. Unternehmen im Allgemeinen verdienen wieder Geld, aber die Banken sind unserer Meinung nach im besonderen bereit, Mittel über höhere Dividenden an die Aktionäre fliessen zu lassen."

Aufmerksamkeit verdienten Aktien wie jene der UBS und der lange krisengeschüttelten italienischen Bank Intesa Sanpaolo, sowie jene der Geldinstitute in den nordischen Ländern. Die UBS, komfortabler kapitalisiert als etwa die Konkurrentin Credit Suisse, hat im Februar die Dividende auf 50 Rappen verdoppelt und beim Börsenkurs seit Anfang Jahr 22 Prozent gewonnen. Der Gewinn von Intesa hat sich im ersten Quartal verdoppelt, während der Kurs seit Januar um 31 Prozent angezogen hat.

Einen problematischen Aspekt der europäischen Wirtschaftsentwicklung sieht Jones nach wie vor bei Frankreich: Das Land sei ein Nachzügler bei der Erholung, doch liessen die jüngsten Neuigkeiten,  für die das Land sorge, angesichts eines gewissen Reformwillens der Regierung immerhin hoffen.  Sollte Frankreich nun langsam auf den Wachstumspfad einschwenken, sehe es im laufenden Jahr für die Entwicklung der europäischen Wirtschaft nicht schlecht aus, zumal Spanien und Italien im Aufschwung seien.

EZB-QE: «Wirkungsvoller Stimulus»

Die Geldschwemme der Europäischen Zentralbank (EZB), welche den Aktienmarkt massgeblich zu neuen Höhen treibt, ist laut Jones ein gutes Instrument. Auch in den USA, Grossbritannien und Japan habe die quantitative Lockerung durch die jeweilige Notenbank die Kurse getrieben: "Der Stimulus ist wirkungsvoll." Die einzige Sorge sei der Markt für Anleihen: "Er ist schwankungsanfälliger, weil wir langsam Verzerrungen bei den Preisen sehen, und weil die Anleger in ein Umfeld mit sehr tiefen oder gar negativen Renditen gedrängt werden." Dies wiederum mache Aktien aber umso attraktiver.

Durch eine entschiedene Flurbereinigung bei den Banken, den frühen Entschluss zu umfassenden quantitativen Massnahmen und die Dollar-Abwertung könnten im übrigen die USA bereits jetzt die Früchte ihrer Anstrengungen ernten. Volkswirtschaftlich und markttechnisch seien die USA voraus. "Die Erholung ist stark und nachhaltig – nicht extrem stark im historischen Vergleich, aber positiv und über die letzten zwei Jahre beständig", sagt Jones.

Behutsame Fed

Den ersten Zinsschritt der Federal Reserve kann sich Jones im September vorstellen. Die Notenbank in Washington werde sich langsam von den "Notfall-Vorkehrungen" verabschieden und mit einer "sehr behutsamen" Politik der Zinsanhebung beginnen. Die bisherigen Äusserungen von Fed-Chefin Janet Yellen liessen erwarten, dass ein "sehr abgestufter Takt" angeschlagen werde, um das Zinsniveau in den USA nach und nach zu normalisieren. Verwerfungen bei Aktien befürchtet Jones keine: "Ich glaube nicht, dass dies an den Märkten Unruhe stiftet – ich denke sogar, dass Zinsschritte ein Signal sein werden, dass die Wirtschaft stark genug ist und allmählich höhere Belehnungskosten aushält." 

Im cash-Video-Interview äussert sich Stephen Jones auch zur fortlaufenden Diskussion über eine Unabhängigkeit Schottlands, wo Kames Capital den Haupsitz hat. Er schildert auch seine Ansichten im Hinblick auf das Referendum über die Mitgliedschaft Grossbritanniens in der EU, das der vor einem Monat mit Parlamentsmehrheit wiedergewählte konservative Regierungschef David Cameron bis spätestens Ende 2017 durchführen will.

Das Gespräch mit Stephen Jones fand in Edinburgh im Rahmen einer von Kames Capital organisierten Pressereise statt. Der Asset Manager verwaltet gut 80 Milliarden Euro an Anlagevermögen und ist eine 100-Prozent-Tochter des niederländischen Lebensversicherungskonzerns Aegon.