Eigentlich sah alles danach aus, als ob die US-Notenbank den Leitzins schon an der Sitzung von nächster Woche erhöhen werde. Es wäre der erste Zinsschritt seit nahezu acht Jahren. Nach Nachrichten aus der amerikanischen Wirtschaft, die schlechter als erwartet ausfielen, werden die Notenbank-Verantwortlichen vermutlich erst im September an der Zinsschraube drehen.

Dennoch macht sich an den Aktienmärkten schon jetzt Nervosität bemerkbar. Dies äussert sich darin, dass die Börse in New York mit Kursverlusten auf starke Konjunkturindikatoren reagiert. Mit einem Plus von gerade einmal einem Prozent zählt der Dow Jones Industrial Index wenig überraschend zu den schwächsten Börsenbarometern weltweit.

In einem Kommentar versucht die Bank of America Merrill Lynch die Gemüter zu beruhigen. Die Mitglieder des Investment Komitees rechnen erst im September mit einer ersten Leitzinserhöhung. Nicht wie in der Vergangenheit werde die US-Notenbank die Zinsen aber nur sehr zögerlich anheben, so die Autoren des Kommentars. Von den bankeigenen Prognosen lässt sich ableiten, dass der Leitzins bis Ende nächsten Jahres im ungünstigsten Fall auf 1,5 bis 1,75 Prozent steigen wird.

Weiterhin steigende Aktienkurse möglich

Diese Meinung wird auch von anderen Kollegen geteilt. Wie UBS-Chefökonom Andreas Höfert in einem Interview mit cash durchblicken liess, geht er ebenfalls im September von einer ersten Zinserhöhung durch die US-Notenbank aus. Ähnlich äussert sich auch der abtretende Firmenchef Brady Dougan von der Credit Suisse. Beide können sich vorstellen, dass die Fed-Zinserhöhung die Märkte in Turbulenzen versetzt.

Anders als die beiden richtet Bank of America Merrill Lynch ermutigende Worte an die Aktienanleger: Steigende Zinsen seien nicht zwingend negativ für die Börse, so ihr Tenor. Nach Jahren der Bilanzstärkung seien höhere Zinsen für viele Unternehmen besser verkraftbar als dies in der Vergangenheit der Fall war. Dazu komme, dass die Differenz zwischen den Dividenden- und den Anleihenrenditen heute deutlich höher liege. Auch das ist den Verfassern des Kommentars zufolge von Vorteil, genauso was monatelange Einschwören der Märkte auf steigende Leitzinsen durch die Vertreter der US-Notenbank.

Die Haltung der amerikanischen Grossbank deckt sich übrigens mit einer alten Faustregel der Börsianer. Diese besagt, dass die Rendite zehnjähriger amerikanischer Staatsanleihen über den Schwellenwert von 3,5 Prozent steigen muss, um zu einer Gefahr für den heimischen Aktienmarkt zu werden. Vergangene Nacht stand die Rendite in New York bei 2,5 Prozent.