Der Vermögensverwalter will nach Gründung einer lokalen Tochtergesellschaft im Dezember innerhalb eines Jahres 200 neue Kunden dazu gewinnen, sagt Ewgeni Smuschkovich, Marktleiter für Russland, Mittel- und Osteuropa. Die Bank, die bisher nur eine Repräsentanz in Moskau hatte, werde sechs bis acht Kundenberater einstellen.

"Es gibt viele Kunden in Russland, die ihr Geld immer noch in Einlagenkonten halten, anstatt die Dienste von Finanzberatern zu nutzen", sagt er. "Mit unserem Know-how im Private Banking können wir im Vergleich zu grossen lokalen Banken Lösungen anbieten, die stärker auf den individuellen Bedarf zugeschnitten sind", wie beispielsweise Hypotheken für Immobilien in Europa.

Die mögliche Expansion von Julius Bär kommt zu einem heiklen Zeitpunkt. Der Aktienkurs ist 2018 stärker als der Kurs jedes anderen grossen Schweizer Unternehmens gefallen. Indes hatte die Privatbank mit Image-Problemen zu kämpfen, die im Zusammenhang mit einem ehemaligen Starbanker standen, der in einem venezolanischen Geldwäschefall verwickelt war. Das rasche Streben nach Neugeldern im letzten Jahrzehnt warf innerhalb der Schweizer Bank die Frage auf, ob die Kunden ordnungsgemäss geprüft wurden.

Herausforderungen in Russland

Russland birgt besondere Herausforderungen, da angesichts internationaler Sanktionen der Regulierungsrahmen viel stärker beachtet werden muss.

Die Bank war auch im vergangenen Jahr Gegenstand von Untersuchungen, als der Leiter der Repräsentanz von Julius Bär in Russland beurlaubt wurde. Dieser war in Handlungen verwickelt, die die Schweizer Staatsanwaltschaft veranlasste, eine überraschende Razzia und Untersuchung beim Waffenhersteller Ruag durchzuführen. Eine Sprecherin der Bank lehnte eine Stellungnahme zu der Angelegenheit ab.

Russland ist zudem ein heiss umkämpfter Markt. Die staatlich kontrollierten Banken Sberbank PJSC und VTB-Group bieten vermögenden Kunden mehr als 3 Prozent für einjährige Dollar-Einlagen an. Das ist ein erheblicher Vorteil für Kunden, die lieber 40 Prozent ihres Vermögens in bar halten - doppelt so viel wie die durchschnittlichen Private-Banking-Kunden aus Europa.

Die russische Notenbank hat Julius Baer CIS im Dezember in ihre Liste der Anlageberater aufgenommen. Die russische Tochtergesellschaft wird von Rudolf Scherrer geleitet, der zuvor in den Private-Banking-Bereichen der Sberbank und bei der Credit Suisse arbeitete.

Seit 2008 präsent

Julius Bär ist seit 2008 über eine Repräsentanz tätig, was jedoch keine Werbung für ihre Dienstleistungen erlaubte.

Smuschkovich, der viel Zeit mit Reisen im ganzen Land verbringt, will Geschäfte in weit von Moskau entfernten Regionen an Land ziehen. Der anvisierte neue Kunde verfügt mittlerweile über ein Vermögen von mindestens zwei Millionen Schweizer Franken.

"Unternehmer benötigen entweder einen kompetenten Berater, der ihren hohen Ansprüchen gerecht wird, oder sie haben sich vor einiger Zeit die Finger verbrannt und müssen überzeugt werden, dass die Finanzmärkte nicht schlecht sind und es interessante Gelegenheiten gibt", sagt Smuschkovich.

Julius Bär wird auch mit einer wachsenden Zahl an Family Offices arbeiten und konkurrieren müssen. In Russland gibt es etwa 100 Single-Family Offices und 20 Multi-Family Offices. Diese Unternehmen kümmern sich in der Regel um Investitionen, Steuern, Nachlassplanung und sogar persönliche Angelegenheiten wie Reisen und Bildung. Dutzende von neuen Family Offices werden in den nächsten fünf Jahren entstehen.

Wettbewerbsdruck

«Ich habe keine Angst vor der Konkurrenz durch Credit Suisse oder UBS. Ich habe jedoch Angst vor der Konkurrenz von Kunden und jeder digitalen, kostengünstigen Anlageplattform, die das Gleiche wie wir macht, aber viel billiger “, sagt Smuschkovich.

Julius Bär kann punkten, indem sie auf vermögendere Kunden setzt, die Lösungen für spezialisierte, nicht standardisierte Situationen möchten, z.B. die Errichtung effektiver Eigentumsstrukturen oder die Übertragung von Vermögen. Die Bank bringt ihr weltweites Know-how ein, was ihr einen Wettbewerbsvorteil gegenüber Roboter-Anlageplattformen gibt.

(Bloomberg)