Es ist nichts Neues: Dieses Jahr gehen die Aktien der amerikanischen Big-Tech-Giganten wie Amazon oder Apple durch die Decke - plus 71 und 57 Prozent seit Jahresbeginn. Die Corona-Krise hat die Anleger in das sonnige Gefilde der digitalen Welt getrieben. Denn in ihren Rezessionssorgen suchen die Anleger etwas bestimmtes: Wachstum, Wachstum und nochmals Wachstum.

Dieses findet man in der digitalen Welt: Soziale Medien, Onlinehandel, Cloud-Dienste und Streamingfernsehen profitieren vom veränderten menschlichen Verhalten im Corona-Zeitalter. Und es ist bekanntermassen keine Eintagsfliege. Der schon bestehende Digitalisierungstrend wurde schlichtweg verstärkt.

Die alleinige Fokussierung auf die amerikanischen Big-Tech wie Amazon, Apple, Facebook oder Netflix vernachlässigt jedoch, dass in Europa zahlreiche Tech-Unternehmen ebenfalls zu den Gewinnern gehören und den Anlegern grosse Gewinne gebracht haben oder noch bringen werden. cash.ch stellt fünf wachstumsstarke Kandidaten vor:

Spotify – Wachstum vor Gewinn

Das von Daniel Ek und Martin Lorentzon gegründete Unternehmen Spotify mit seiner gleichnamigen digitalen Musikapp legte Ende Juli seine Halbjahreszahlen vor: Der Umsatz des zweiten Quartals stieg um 13 Prozent auf 1,89 Milliarden Euro gegenüber dem Vorjahr. Die Zahl der Premium-Abokunden konnte gar um 27 Prozent auf aktuell 138 Millionen gesteigert werden. Doch gleichzeitig wurde ein Verlust von 356 Millionen Euro erwirtschaftet.

Das Wachstum soll in gleichem Umfang weitergehen. Neues Wachstumsziel seit Mitte Juli: Osteuropa. Spotify geht mit dem grössten russischen Telekommunikationskonzern Mobile TeleSystems eine strategische Partnerschaft ein. Als Motivation für ein Premium-Abo sind für die 144 Millionen Russen die ersten sechs Monate gratis. Zudem ist das Unternehmen nun von Albanien bis hin zur Ukraine präsent. 

Wie bei vielen Tech-Unternehmen steht bei Spotify das Wachstumspotenzial im Vordergrund. Dies ist bekanntlich kein Hinderungsgrund für einen starken Kursanstieg. Im Gegenteil: Dieses Jahr gewinnen die Aktien schon einmal 70 Prozent. Die seit Anfang Juli einsetzende Korrektur kann gut als Möglichkeit zum Einstieg oder Aufstockung genutzt werden. Zumal sich der Streaming-Dienst seit Juli auch in den visuellen Bereich vorwagt. Podcasts können neu nicht nur gehört, sondern auch gesehen werden.

Performance der Spotify-Aktien seit Jahresbeginn (Quelle: cash.ch).

Yandex – Der russische Google-Konkurrent

Der russische Internetkonzern und Google-Konkurrent Yandex wurde 1997 gegründet. Die gleichnamige Suchmaschine ist eine Marktmacht in Russland und weist in osteuropäischen Ländern wie der Ukraine, Kasachstan, Weissrussland oder auch der Türkei einen signifikanten Marktanteil aus.

Gerade in Russland und Osteuropa weist Yandex mit seinen zahlreichen digitalen Angeboten ein grosses Wachstumspotenzial auf. Das Angebot reicht von einem Musik-Streaming-Angebot bis hin zu einem Staumeldedienst. Selbst im Bereich selbstfahrender Autos betreiben die Russen Forschung. Die Produktpalette überzeugt auch die Anleger. 37 Prozent gewinnen die Aktien seit Jahresbeginn. Und auch die von Bloomberg befragten Analysten empfehlen zu 70 Prozent ein "Buy". Das Risiko besteht in dieser Anlage hauptsächlich darin, dass der russische Staat wiederholt versucht hat, seinen Einfluss auf den Internetkonzern auszubauen - ein neuer Versuch wäre der Kursentwicklung abträglich.

ASOS - Die britische alternative zu Zalando

Auch der britische Zalando-Rivale ASOS profitiert in der Corona-Krise kräftig vom Trend zum Online-Einkauf. Wegen der erhöhten Nachfrage kündigte das Unternehmen an, dass der Umsatz und Gewinn in dem August endenden Bilanzjahr 2019/20 über den Markterwartungen liegen dürften. Zu diesem erfreulichen Ergebnis trägt auch die Tatsache bei, dass sich ein bisheriger grosser Kostenpunkt im Lockdown und in der Zeit danach verringert hat: Konsumenten senden zur Freude von ASOS weniger bestellte Waren zurück.

Diese Aussichten erfreuen auch die Analysten: Die Privatbank Berenberg hebt das Kursziel von 4400 auf 5700 Pence mit der Einstufung "Buy". Dies entspricht einem potenziellen Kursgewinn von 22 Prozent. Dies nachdem sich der Aktienwert innerhalb eines Jahres verdoppelt hat. Und auch Goldman Sachs honoriert den guten Ausblick mit einer Kurszielerhöhung auf 5000 Pence bei einem "Buy"-Rating. Anleger mit Interesse an Online-Handelsplattformen sollten neben Zalando auch ASOS auf dem Radar haben.

Adyen – Boom bei einer Wirecard-Zerschlagung

Der niederländische Zahlungsdienstleister galt lange Zeit als die europäische Nummer zwei hinter Wirecard. Adyen profitiert mit seiner End-to-End Zahlungsplattform in der Corona-Krise am zunehmenden Online-Boom und der deutlich steigenden Zahl von Transaktionen im Netz. Seit dem Börsengang im Sommer 2018 hat sich der Aktienkurs von 240 auf über 1400 Euro mehr als verfünffacht. Allein dieses Jahr steht ein Plus von 96 Prozent zu Buche.

Die Performance der Adyen-Aktien seit dem IPO im Sommer 2018 (Quelle: cash.ch).

Gegenüber Wirecard zeichnet sich Adyen durch zwei Faktoren aus: Die Niederländer generieren erstens einen Drittel der Einnahmen durch Reisebuchungen. Wenn das Corona-Hyper-Wachstum im Onlinehandel nachlässt, kann Adyen im Reisegeschäft wieder hinzugewinnen. Das Unternehmen konzentriert sich zweitens auf Partnerseite zu zwei Drittel auf Europa. Dies bedeutet eine erhöhte Transparenz - nicht unwichtig für manche Anleger nach dem Wirecard-Wahnsinn.

Der JPMorgan-Analyst Sandeep Deshpande ist mit seiner neusten Empfehlung mit einem Preisziel von 1590 Euro ziemlich bullish. Nicht nur dies: Sollte eine Wirecard-Zerschlagung eintreffen, würde Adyen gemäss dem Analysehaus Jeffries deutlich profitieren und Marktanteile an sich reissen. Dies würde eine Fortsetzung des steilen Kursanstiegs mit grosser Wahrscheinlichkeit garantieren.

Als alternative bei den Zahlungsdienstleistern bietet sich in Europa auch das italienische Unternehmen NEXI an. Seit der Börsenplatzierung im Frühjahr 2019 haben die Aktien schon gut 80 Prozent an Wert zugelegt. Das Wachstumspotenzial ist wegen dem Fokus auf den Heimmarkt jedoch limitiert.

ASML – Dominanz dank technologischem Vorsprung

Die beschleunigte Digitalisierung bedingt eine weitere Miniaturisierung der Chipstrukturen. Dabei wurden schon jetzt physikalische Grenzen erreicht. Doch der niederländischer Tech-Konzern ASML hat mit der Chiplithografie diese Barriere förmlich gesprengt. Die Technik basiert darauf, dass mittels extrem kurzwelliger UV-Strahlung feinste Strukturen ins Chipsilizium übertragen werden - dies kann bis anhin nur ASML.

Daher beliefern die Niederländer exklusiv grosse Chipkonzerne wie Samsung, Intel oder TSMC. Man kann getrost sagen, dass die dominante Marktposition ASML zu den interessantesten Tech-Aktien in Europa macht. Dieser Umstand wird auch an der Börse honoriert: Plus 79 Prozent innerhalb eines Jahres. Seit Januar 2019 hat der Kurs wie in der untenstehenden Grafik ersichtlich einen stark positiven Trend eingeschlagen. 

Performance der ASML-Aktien seit Anfang 2019 (Quelle: cash.ch).

ManuelBoeck
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