Selten zuvor sorgte ein geldpolitisches Ereignis für soviel Lärm. Schon seit 2013 wird in der Wirtschaftswelt über einen möglichen Termin zur Zinswende in den USA gerätselt. Und weil Börsianer Ungewissheiten hassen, wird jede Äusserung der Notenbankchefin auf mögliche Hinweise auf den ersten positiven Zinsschritt seit knapp zehn Jahren abgeklopft.

Die Aufmerksamkeit ist auch deshalb so hoch, weil laut Lehrbuch nach einer US-Zinswende die Karten an den Finanzmärkten neu gemischt werden. Die USA werden dann für fremdländisches Kapital generell attraktiver. Im Gegenzug dürfte Investorengeld auf der Jagd nach mehr Rendite aus Regionen wie China und Schwellenländern abfliessen. Das ist auch der Grund, weshalb der Internationale Währungsfonds (IWF) und die Weltbank wiederholt dafür plädieren, die Zinswende noch aufzuschieben. Denn Chinas Wachstumsmotor ist ins Stottern gekommen.

Das war einer der Gründe, weshalb sich an den chinesischen Börsen im späten Sommer ein gewaltiges Gewitter entlud, das sich auch auf andere Märkte übertrug. Danach zeigte sich, dass die ausländischen Finanzmärkte der Fed nicht egal sind. Denn Fed-Chefin Janet Yellen verwies in ihrer Argumentation zum Zinswende-Verzicht im September explizit auf diese Unruhen an den Märkten. Doch mittlerweile haben sich diese Verwerfungen wieder gelegt. Auch die amerikanische Wirtschaft überzeugte jüngst mit starken Daten, sodass laut Umfragen nun mehr als 70 Prozent der Investoren von einer ersten Zinserhöhung im Dezember ausgehen.

Überraschende Aktion 1994

Um eine Idee davon zu bekommen, wie die Börsen nach einer längeren Phase tiefer Zinsen auf eine Verteuerung des Kapitals reagieren, lohnt sich ein Blick in die Vergangenheit. In den letzten 20 Jahren kamen zwei solcher Wendepunkte vor – 1994 und 2004.

Als die Fed im Frühjahr 1994 überraschend ihre Leitzinsen anhob, war das der Startschuss zu einer Serie von mehreren Erhöhungsschritten innert kurzer Zeit. Die Folge an den Märkten: Die Renditen auf 10-jährige US-Staatsanleihen zogen stark an, während die Aktienpreise (gemessen am S&P 500) kurz um etwa 10 Prozent korrigierten, um danach munter weiterzuklettern, wie untenstehende Grafik zeigt. Dieser Trend endete erst mit dem Platzen der Technologieblase Ende der 1990er Jahre.

Fed-Leitzinsen und S&P 500 zwischen 1990 und 2014, Quelle: moneyandmarkets.com

Das andere Beispiel: Ab Juni 2004 stiegen die Fed-Zinsen in kurzer Abfolge von 1 auf 5,25 Prozent im August 2006. Auch in diesem Zyklus reagierten die Aktienkurse mit einer kurzfristigen Korrektur von rund 8 Prozent, bevor sie zu einer dreijährigen Hausse ansetzten, wie der Chart ebenfalls zeigt. Doch der nachfolgende Absturz ab Herbst 2007 war umso heftiger: In knapp anderthalb Jahren halbierte sich der Wert des S&P 500, während das Platzen der Immobilienblase in den USA eine weltweite Finanzkrise auslöste.

Gemeinsam haben diese beiden Ereignisse, dass die Aktienkurse jeweils kurz Mühe hatten, sich an das neue geldpolitische Regime anzupassen. Dann aber weiter in die Höhe kletterten. Dies, obwohl die Vorgehensweise der amerikanischen Notenbanker rückblickend unterschiedlich beurteilt wird. 1994 wurden die Märkte von der Zinswende überrascht, 2004 hingegen gingen die Währungshüter kommunikativ behutsamer vor.

Das gilt durchaus auch für die aktuelle Situation. Fed-Chefin Janet Yellen versucht seit Monaten, die Märkte auf eine Zinserhöhung vorzubereiten. Zudem sprach sie sich wiederholt für eine vorsichtige Herangehensweise bei der Geschwindigkeit von zukünftigen Zinsanhebungen aus. Ein oft genanntes Szenario könnte dementsprechend folgendermassen aussehen: Nach der ersten Anhebung um 0,25 Prozent wartet die Fed ab, wie die Märkte reagieren. Ziehen dunkle Wolken auf, werden die Zinsen vorerst nicht weiter erhöht.

Was lehrt uns die Geschichte?

Die nächsten verbalen Signale könnte Yellen am 3. Dezember aussenden. Bei einem Auftritt vor dem Wirtschaftsausschuss des US-Kongresses hat sie Gelegenheit, den Märkten erneut Hinweise auf eine mögliche Zinswende zu geben. Für diesen fast schon historischen Schritt sprechen der brummende Arbeitsmarkt, die starke Konjunktur und der anziehende Konsum.

Angesichts der beiden letzten historischen Beispiele ist allzu grosse Panik vor der nächsten Zinserhöhung wohl fehl am Platz. Eins zu Eins auf die Gegenwart übertragen lassen sich die gemachten Erfahrungen zwar nicht. Aber die Fähigkeit, sich rasch auf neue Rahmenbedingungen einstellen zu können, gehört nach wie vor zu den bedeutenden Eigenschaften von Akteuren an den Aktienmärkten.

Zudem haben viele Börsen bereits eine leichte Korrektur vorweggenommen und sind von ihren Rekordhochs zurückgewichen. Auch andere Anlageklassen wie Gold oder der US-Dollar deuten auf Veränderungen im Zinsumfeld hin.