Die Korrektur war eindrücklich und heftig. Seit Mitte April und dem Jahreshoch bei 9475 Punkten befand sich die Schweizer Börse im Ausverkauf-Modus, fiel zwischenzeitlich sogar auf 8730 Zähler, einzelne SMI-Titel verloren mehr als 10 Prozent an Börsenwert. Bis am Freitag die Kurse wieder in den grünen Bereich drehten und mit einem Plus von rund 2,5 Prozent aus dem Handel gingen. Dennoch: Der SMI steht nur wenig höher als er das Jahr begonnen hatte.

Mit diesem Kursverlauf ist die Schweizer Börse nicht alleine. Auch andere europäische Indizes, der japanische Nikkei und der New Yorker Aktienmarkt gaben in den letzten vier Wochen bedeutend nach. Die Gründe dafür sind wie immer vielfältig. Aber wie verschiedene Marktbeobachter übereinstimmend sagen, waren die ansteigenden Bonds-Zinsen ein wichtiger Auslöser der Negativphase bei Aktien. Die Zinsen für zehnjährige deutsche Bundesanleihen steigen auf bis zu 0,8 Prozent nachdem sie Mitte April noch bei 0,05 Prozent notierten. Bessere Konjunkturaussichten für den Euro-Raum sollen dafür verantwortlich sein.

Hinzu kommen die Erholung des Euro gegenüber dem Dollar, die anhaltenden Unsicherheiten rund um einen möglichen "Grexit", enttäuschende Makrodaten aus den USA und China sowie die Ungewissheit über den Zeitpunkt der Fed-Zinserhöhung.

Portfolios werden umgeschichtet

Auf Ebene SMI-Einzeltitel hat es in den letzten vier Wochen Swiss Re, Adecco, Geberit und Swatch am heftigsten erwischt. Sie stehen alle 10 Prozent und mehr in den Miesen. Aber auch die Index-Schwergewichte Nestlé, Novartis und Roche haben unlängst stark nachgegeben. Marktstimmen berichten denn auch, dass bei Investoren eine Umschichtung in den Portfolios festzustellen sei – weg von den defensiven hin zu zyklischeren Aktien.

Neben den erwähnten globalen Einflussfaktoren steht der Schweizer Aktienmarkt noch zusätzlich unter dem Druck des starken Frankens und auch der Verlauf des Dollars ist einmal mehr entscheidend, wie in den vergangenen Monaten bereits ersichtlich wurde.

Wie aber geht es nun weiter nach diesem Börsengewitter? Führt der Weg zurück auf die Autobahn oder müssen Anleger weiterhin mit der Schotterpiste Vorlieb nehmen? Um diesen Fragen auf den Grund zu gehen, hat cash bei mehreren Marktbeobachtern Prognosen eingeholt. Eines lässt sich vorweg sagen: Die Zeiten bleiben wohl eher unruhig.

 

Thomas Della Casa, Anlagechef Neue Helvetische Bank

"Ich denke, dass die SMI-Jahresend-Prognose von 9475 Punkten nach wie vor haltbar ist. Der SMI wird sich grundsätzlich positiv entwickeln, Unternehmensgewinne werden trotz allem wachsen. Positiv könnte auch der Bankensektor beitragen. Die Liquidität der EZB, die Lösung des Griechenland-Problems, die Verschiebung der Fed-Zinserhöhung und ein höherer Erdölpreis könnten die Schweizer Börse antreiben."

Caroline Hilb, Leiterin Anlagestrategie St. Galler Kantonalbank

"Weil ich davon ausgehe, dass vor allem die Marktstimmung angeschlagen ist, die positiven Treiber wie US-Konjunkturerholung, expansive Geldpolitik und fehlende Alternativen zu Aktien aber intakt sind, gehe ich von einer kurzfristigen Korrektur aus. Ich erwarte aber nicht, dass der SMI ein Kursfeuerwerk zeigen wird. Ich würde eher von einer soliden positiven Performance sprechen."

Gabriel Bartholdi, Aktienanalyst Bank J. Safra Sarasin

"Das Umfeld für positive Aktienmärkte bleibt mittelfristig intakt, da in Euroland die Geldschleusen der Zentralbank weiterhin offen bleiben, was die Konjunktur in Euroland unterstützt. Von einer Erholung der Europäischen Wirtschaft werden auch Schweizer Unternehmen profitieren. Zwar könnte in den nächsten zwei Monaten eine gewisse Konsolidierung stattfinden, aber bis Ende Jahr dürften Schweizer Aktien wieder steigen. Die Risikoprämie, sprich die Gewinnrendite im Vergleich zur Staatsanleihen-Rendite ist nach wie vor hoch. Dies bedeutet, dass Aktieninvestitionen eine überdurchschnittliche Rendite abwerfen im Vergleich zu Staatsanleihen. Dieser Umstand hält die Nachfrage nach Aktien hoch."

Panagiotis Spiliopoulos, Leiter Research Bank Vontobel

"Der SMI dürfte wie bereits in den letzten Jahren in erster Linie durch Massnahmen und Aussagen der Zentralbanken beeinflusst werden – in beide Richtungen. . In den letzten Jahren führten immer enttäuschte Wachstumshoffnungen zu Korrekturen im Frühling; die Wachstumserwartungen dürften insbesondere für die USA und China und generell die Emerging Markets nach unten angepasst werden und dies dürfte kurzfristig zu einer höheren Volatilität führen."

Eric Steinhauser, Leiter Research Privatbank Rahn & Bodmer

"Dass die Korrektur bloss kurzfristigen Charakter hat, lässt sich mit dem Negativzinsumfeld begründen. Faktoren, die eine länger andauernde Korrektur auslösen würden, wären steigende Zinsen und oder eine Verschlechterung des konjunkturellen Umfelds in Europa. Eine solche Entwicklung würde unseren Erwartungen diametral gegenüberstehen. Insgesamt interpretieren wir die jüngste Entwicklung als normale und vorübergehende Korrektur, die immer und überall eintreten kann."

Christoph Riniker, Leiter Marktstrategie Bank Julius Bär

"Auf die Sicht von 12 Monaten erwarten wir den SMI im Bereich von 9300 Punkten. Kurzfristig sehen wir eine eher volatile Entwicklung auf den Schweizer Aktienmarkt zukommen."

Nicola Grass, Aktienanalyst Zürcher Kantonalbank

"Wir erwarten mittelfristig einen steigenden Leitindex, wobei es allerdings zunächst zu einer volatilen Seitwärtsbewegung kommen dürfte. Wir bleiben mittelfristig optimistisch für die Aktienmärkte und denken somit, dass es sich um eine eher kurzfristige Korrektur handelt. Die Grosswetterlage spricht nach wie vor für eine Fortsetzung der Hausse. Solange sich keine Änderung der Notenbankpolitik abzeichnet und die Renditen auf den rekordtiefen Werten verharren, gibt es keine valable Alternative zu Dividendenpapieren. Der Anlagenotstand wird somit Anleger auch in Zukunft in Aktien treiben."

Martin Neff, Chefökonom Raiffeisen Schweiz

"Wir rechnen in den kommenden zwei, drei Monaten mit einer Seitwärtsbewegung und hoher Volatilität. Die Sorglosigkeit um Griechenland dürfte wieder mehr Skepsis weichen, die Zinserhöhung in den USA kommt bald wieder in die Börsenagenda und das wird bis September die Märkte tendenziell belasten. Nach der Korrektur sind Aktien nicht mehr nur alternativlos, sondern auch wieder preiswert."