Im letzten Jahr legte der Euro noch die beste Entwicklung unter den Hauptwährungen hin. Jetzt dominiert bei den Anlegern die Skepsis: Schafft es die Europäische Zentralbank angesichts der Wolken über dem Konjunkturhimmel, die Geldpolitik so früh zu straffen wie geplant?

Multi-Asset-Vermögensverwalter Alessio de Longis von OppenheimerFunds in New York bewegt sich mit Blick auf das Währungspaar Euro-Dollar weg von einer Übergewichtung hin zu einer neutralen Position. Neil Staines von Eurizon SLJ Capital erwartet in den nächsten zwei Monaten sogar einen Rückgang von rund 6 Prozent.

Danske Bank hat ihre Schätzung für den Zeitpunkt der ersten Zinserhöhung der EZB seit 2011 von Juni 2019 auf Ende kommenden Jahres hinausgeschoben und schlägt taktisch vor, den Euro gegen den Dollar zu verkaufen.

Stimmungsumschwung

Die Veränderungen bei den Aussichten und bei der Positionierung signalisieren einen Stimmungsumschwung gegenüber Anfang dieses Jahres, als Euro-bullische Trades zu den Top-Empfehlungen für das Jahr 2018 gehörten, nachdem die Währung den politischen Gegenwind vom vergangenen Jahr durchgestanden hatte.

"Wir erwarten, dass der Dollar-Bärenmarkt eine Pause einlegen wird, mit anderen Worten, der Euro-Bullenmarkt eine Pause einlegen wird", da es Anzeichen für ein stockendes Wachstum in Europa gibt, während die US-Notenbank Federal Reserve ihre Geldpolitik weiter straffen wird, sagt de Longis. "Wir sind jetzt viel näher an einer neutralen Haltung zum Euro gegenüber dem Dollar, nehmen eine abwartende Position ein."

Nachdem der Euro Mitte Februar auf ein mehr als dreijähriges Hoch von 1,2555 Dollar gestiegen war und damit die Rally von 14 Prozent des vergangenen Jahres noch ausdehnte, fiel die Gemeinschaftswährung seither um fast drei Prozent auf 1,2218 Dollar. Laut Staines von Eurizon könnte der Euro in den nächsten Monaten bis auf 1,15 Dollar sinken.

Am Optionsmarkt ist die Marktstimmung weiterhin positiv für den Euro. Die Drei-Monats Euro-Dollar Risik Reversals weisen 16 Basispunkte zugunsten von Call-Optionen auf.

Wachstum hat Höhepunkt überschritten

Das europäische Wirtschaftswachstum scheint seinen Höhepunkt überschritten zu haben. Der Citigroup Surprise Index für die Eurozone rutschte seit November und erreichte den niedrigsten Punkt seit Mitte 2012, bevor er sich am Montag wieder erholte, nachdem ein Messwert für Vertrauen die Erwartungen übertroffen hatte. Der Index liegt derzeit bei minus 83, und ein Wert unter Null zeigt, dass die Daten hinter den Prognosen zurückgeblieben sind. Im Gegensatz dazu steht ein entsprechender Index für die USA bei positiven 33.

Sowohl Staines als auch de Longis erwarten, dass die EZB bei ihren Mitteilungen am 26. April keine geldpolitischen Veränderungen signalisieren sondern abwarten wird, bis die Wirtschaftsprognosen ihres Stabs im Juni anstehen, bevor sie eine neue Sichtweise einnimmt.

"Das Risiko besteht darin, dass die EZB die Wertpapierkäufe im September nicht stoppen kann und wir nach September eine weitere kleine Verlängerung von 10-15 Milliarden Euro bekommen könnten", sagt de Longis. Dies könnte dazu führen, dass die Zentralbank eine Erhöhung der Einlagenzinsen bis über Mitte 2019 hinaus verschiebt.

Strategen der Danske Bank um Christin Tuxen gehen inzwischen davon aus, dass die EZB erst im Dezember 2019 den Einlagensatz von derzeit minus 0,4 Prozent um 20 Basispunkte anheben wird. Zuvor hatten sie für Juni nächsten Jahres einen Anstieg um 10 Basispunkte prognostiziert. Die Analysten haben jetzt ein kurzfristiges Ziel von 1,21 Dollar für den Euro, obwohl sie in den nächsten sechs Monaten mit einer Erholung auf 1,25 Dollar rechnen.

"Der Euro wird immer verletzlicher werden", sagt Staines. "1,17-1,15 Dollar in den nächsten Monaten sind ein realistisches erstes Ziel."

(Bloomberg)