“Wir befinden uns in einem Umfeld, in dem die Zinsen sehr lange niedrig bleiben werden”, sagt Joseph Little, globaler Chefstratege bei HSBC Global Asset Management in London. “Ich nenne es ‘für immer niedriger’.”

Nach Berücksichtigung der Inflation werden US-Treasuries, britische Gilts, deutsche Bundesanleihen und japanische Staatsanleihen im nächsten Jahrzehnt negative Erträge erzielen, erwartet Little. Das bedeutet, dass Sparer in Schwellenländer-Bonds und Aktien umschichten sollten, um das für ihren Ruhestand benötigte Einkommen zu generieren.

Diese Empfehlung steht im Widerspruch zu den Renditen, die in diesem Jahr inmitten der Coronavirus-Pandemie erzielt wurden. Denn ein starker Zufluss in die sicheren Häfen führte dazu, dass US-Staatsanleihen die Papiere der Entwicklungsländer um das Dreifache übertrafen.

Staatsanleihen gelten nicht mehr als sichere Anlageklasse

“Wir brauchen eine grosse Neugewichtung unserer Portfolios”, sagte Little. „Die Staatsanleihen, die wir traditionell als sichere Anlageklasse angesehen haben, sind in Wirklichkeit ziemlich riskant geworden. Für die Anleger bedeutet dies, dass sie mutiger sein und über das gesamte Risikospektrum hinweg tätig werden müssen, um ihre Altersvorsorgeziele zu erreichen.“

Der Bestand an Anleihen mit negativen Renditen ist weltweit seit März um etwa 8 Billionen Dollar gewachsen und hat am 10. August 16 Billionen Dollar überschritten. Dies hat Vermögensverwalter gezwungen, sich nach Alternativen umzusehen, was die Zuflüsse in Schwellenländer mit angeschoben und US-Aktien auf Allzeithochs getrieben hat.

Der MSCI-Index für die Aktien der Schwellenländer hat seine Verluste für 2020 fast wieder wettgemachaufgeholt und steuert auf das fünfte Monatsplus zu.

Schwellenländer-Festung

Vermögenswerte aus Schwellenländern können besonders interessant sein, da sie von niedrigeren Zinsen, einem schwächeren Dollar, starken Rohstoffpreisen und der Rally an den weltweiten Aktienmärkten profitieren. "Diese Kombination von Makrokräften sollte die Schwellenländer ziemlich stützen”, sagte Little.

Die Zahlungsausfälle in Argentinien und im Libanon sowie die derzeitige Volatilität in der Türkei unterstreichen die Risiken, so dass HSBC zu Vorsicht rät. “Es ist nach wie vor wichtig, darüber nachzudenken, wie man aktuell die Gelder auf die Schwellenländer aufteilt, und dass man bei der Umsetzung seiner Allokation granularer vorgeht”, sagte Little.

Die Aktienmärkte in Taiwan, China und Südkorea haben in diesem Jahr ihre Widerstandsfähigkeit gegenüber der Coronavirus-Pandemie und den US-Handelsrisiken unter Beweis gestellt. Investoren in diesen Märkten haben gelernt, mit den Risiken zu leben, da die Region als erste die Krise hinein geriet und sie auch als erste hinter sich liess.

“Ich mag diese Märkte sehr”, sagte Little. “Wir nennen sie Schwellenländer-Festung, was die Tatsache widerspiegelt, dass sie bezüglich der Makro-Risikomerkmale weiterhin sehr gute und attraktive Eigenschaften aufweisen.”

Das wirtschaftliche Umfeld werde weiterhin für die Aktienmärkte in Asien sprechen, da sie im Falle eines erneuten Abschwungs einen erheblichen politischen Spielraum hätten, sagte er.

(Bloomberg)