So hat die Lira-Krise die Verwundbarkeit mancher Schwellenländer in den Blick gerückt, in denen die Verschuldung in Dollar hoch ist. Höhere US-Zinsen könnten den Druck auf diese Staaten erhöhen, sollte die US-Währung in der Folge weiter aufwerten. Denn dann würde der Schuldendienst noch teurer werden. Für US-Exporteure wiederum ergäben sich durch einen stärkeren Dollar Nachteile im Aussenhandel, was sich bremsend auf die amerikanische Wirtschaft auswirken würde. Dazu kommen Sorgen, eine Konjunkturabschwächung in Europa könnte erste Zinsanhebungen dort weit nach hinten schieben. Die Fed wäre dann fast die einzige grosse Notenbank, die in diesem unsicheren Umfeld ihre geldpolitischen Zügel strafft.

Ungewöhnlich deutliche Kritik am Kurs von Notenbank-Chef Jerome Powell, der die US-Zinsen in diesem Jahr bereits angehoben hat und noch weiter anheben will, kam von Trump. "Ich bin nicht davon begeistert, dass er die Zinsen erhöht," sagte er in einem Interview der Nachrichtenagentur Reuters. Es ist nicht das erste Mal, dass Trump öffentlich die Fed attackiert und damit das Tabu bricht, die unabhängige Notenbank nicht öffentlich anzugreifen. Kurzfristig mögen seine Äusserungen wenig Einfluss haben, sagt Commerzbank-Chefökonom Jörg Krämer: "Sollte es Trump aber gelingen, eine zweite Amtszeit zu bekommen, könnte die Unabhängigkeit in fünf bis zehn Jahren erodieren, wenn er ihm genehme Leute platziert."

Überraschungen aus dem Ausland

Ungemach droht der Fed auch aus dem Ausland. So seien die US-Währungshüter überrascht gewesen, wie schnell die türkische Währung abgestürzt sei, sagt der Präsident des Fed-Ablegers von Atlanta, Raphael Bostic. "Im Moment analysieren und beurteilen wir noch, aber das ist definitiv etwas, worüber wir besorgt sind." Seit Jahresbeginn hat die Lira zum Dollar rund 40 Prozent an Wert verloren. Bislang bleibt Bostic bei seiner Sicht, die Fed sollte 2018 noch eine weitere Zinsanhebung ins Auge fassen. An der Börse wird damit im September gerechnet. Die Dollar-Wächter achten genau auf Entwicklungen in anderen Wirtschaftsregionen. So hatte die Fed nach der Zinserhöhung im Dezember 2015 eine Zinspause eingelegt. Turbulenzen an den Finanzmärkten in Folge einer deutlichen Konjunkturabkühlung in China hatten sie damals vorsichtig gestimmt.

Angesichts der Risiken wird für Experten die Frage drängender, wie lange die Fed unter den grossen Zentralbanken fast einsam auf Zinserhöhungskurs bleiben kann. Sie zieht schon seit Ende 2015 ihre Zinszügel in kleinen Schritten an, um eine Überhitzung der US-Konjunktur zu verhindern. In diesem Jahr setzte sie ihren Leitsatz zur Versorgung der Geschäftsbanken mit Geld zweimal hoch auf das aktuell gültige Niveau von 1,75 bis 2,00 Prozent. Dagegen will die Europäische Zentralbank (EZB) ihre Schlüsselzinsen noch bis mindestens über den Sommer 2019 hinweg nicht antasten. Ihr Leitsatz verharrt bereits seit März 2016 auf dem Rekordtief von 0,0 Prozent.

Konjunkturabkühlung in Europa könnte Fed zögern lassen

Der Ausblick für die Geldpolitik sei sehr unsicher geworden, sagt William English, ein ehemaliges Fed-Mitglied. Er schaut vor allem nach Europa. Falls sich dort die Wirtschaft merklich abkühle und als Folge davon die EZB länger an ihrer Nullzinspolitik festhalten, könnte dies Folgen haben. Experten halten es für möglich, dass mit einem Konjunkturabschwung in Europa auch die Fed langsamer agieren könnte.

Die Wachstum im Euro-Raum hat sich bereits etwas abgekühlt. Das Bruttoinlandsprodukt nahm zwischen April und Juni nur um 0,3 Prozent zu - der geringste Zuwachs seit knapp zwei Jahren. Zu Jahresbeginn waren es noch 0,4 Prozent. Fachleute rechnen für 2018 nun nur noch mit einem Wachstum von 2,2 Prozent. Im April hatten sie noch 2,4 Prozent vorhergesagt.

Grösste Gefahr ist der Handelsstreit

Manche Experten sehen die grösste internationale Gefahr für den Zinserhöhungskurs der Fed in einer Eskalation der Handelskonflikte. Aus Sicht von Carl Tannenbaum, Chefökonom des Bankhauses Northern Trust, könnte vor allem eine Zuspitzung des Streits mit China die Pläne der Fed durchkreuzen. US-Präsident Donald Trump dämpfte inzwischen Hoffnungen auf eine baldige Entspannung. Bei den Verhandlungen diese Woche in Washington werde wohl nicht viel herauskommen, sagte er in einem Interview der Nachrichtenagentur Reuters. Trump sieht die USA im internationalen Handel benachteiligt und liegt auch mit anderen Ländern und der EU über Kreuz.

Die heimischen Wirtschaftsdaten geben der Fed bislang noch Rückendeckung. So wuchs im zweiten Quartal die US-Wirtschaft auf das Jahr hochgerechnet mit 4,1 Prozent. Zudem lag die Arbeitslosenquote im Juli bei 3,9 Prozent. Damit hat die Fed ihr Ziel von Vollbeschäftigung praktisch erreicht.

(Reuters)