Die grössten US-Banken bereiten sich auf ein schwierigeres Jahr vor und erhöhen ihre Risikopuffer deutlich. Vor allem wegen der steigenden Risikovorsorge dürften die Gewinne der sechs grössten US-Geldhäuser Analystenprognosen zufolge im vierten Quartal gegenüber dem Vorjahreszeitraum durchschnittlich um 17 Prozent gesunken sein, wie eine Erhebung des Datenanbieters Refinitiv ergab. JPMorgan Chase, Bank of America, Citigroup und Wells Fargo legen ihre Geschäftszahlen am Freitag vor, gefolgt von Morgan Stanley und Goldman Sachs am Dienstag nächster Woche.

Doppelt so hohe Risikovorsorge als im Vorjahr

"Die meisten US-Ökonomen sagen für dieses Jahr entweder eine Rezession oder eine erhebliche Abkühlung der Wirtschaft voraus, die Banken werden also vermutlich einen trüberen Ausblick berücksichtigen", heisst es in einem Analystenbericht von Morgan Stanley. Die sechs grössten US-Geldinstitute werden dem von Refinitiv erhobenen Prognosen zufolge insgesamt rund 5,7 Milliarden US-Dollar Risikovorsorge für mögliche faule Kredite zurücklegen und damit mehr als doppelt so viel als im vergangenen Jahr (2,37 Milliarden Dollar).

Die Zinserhöhungen der US-Notenbank Fed zur Bekämpfung der Inflation sind ein zweischneidiges Schwert für die Bankbilanzen. Zwar kurbeln sie tendenziell den Zinsüberschuss an, doch höhere Kreditkosten und steigende Preise bremsen Investitionen und Konsumausgaben. Auch im Privatkundengeschäft ändert sich die Stimmung: Dank des starken US-Arbeitsmarktes und staatlicher Subventionen in der Corona-Pandemie stiegen die Ersparnisse der Verbraucher. Doch die Banken verzeichnen nun erste Zahlungsausfälle. "Wir steigen aus einer Phase von ausserordentlich hoher Kreditqualität aus", sagt David Fanger, Bankenexperte der Ratingagentur Moody's.

Stellanabbau nach schwachem Jahr im Investmentbanking

Neben der Sorge vor Kreditausfällen trifft die Wall-Street-Häuser auch die Flaute bei Fusionen und Übernahmen. Die Erträge im globalen Investmentbanking sind im vierten Quartal laut Daten von Dealogic gegenüber dem Vorjahreszeitraum um mehr als 50 Prozent auf 15,3 Milliarden Dollar gefallen. Mehrere Bankvorstände warnten in den vergangenen Wochen bereits vor einem schwierigen Geschäftsumfeld und kürzten Boni oder strichen sogar Stellen.

Besonders drastisch fallen die Kürzungen bei Goldman Sachs aus: Insidern zufolge streicht die Investmentbank mehrere Tausend Stellen. Bei den Rivalen Morgan Stanley und Citigroup führte die Flaute im Investmentbanking ebenfalls zu Personalkürzungen.

Milliardenstrafen und Kredite für Elon Musk

Neben der Grosswetterlage haben einige Banken auch mit Sonderthemen zu kämpfen. Die seit Jahren von Skandalen erschütterte Wells Fargo wurde einmal mehr zu einer Milliardenstrafe verdonnert. Diesmal lastet ein 3,7 Milliarden Dollar schwerer Vergleich zur Beilegung eines Rechtsstreits wegen gefälschter Kundenkonten auf der Bilanz. Bei Morgan Stanley und Bank of America werden Investoren genau hinschauen, ob die Geldhäuser Teile des 13 Milliarden Dollar schweren Kredits abschreiben, die sie Elon Musk für den Erwerb von Twitter gewährt hatten.

Trotz einer verschlechterten Stimmung am Markt dürften einige Banken auch die schlimmsten Zukunftsszenarien überstehen, weil sie auf ihre riskanten Geschäfte verzichtet hätten, schreibt Credit-Suisse-Analystin Susan Roth Katzke. "Nach einem Jahrzehnt der Reduzierung von Risiken sehen wir eine robuste Ertragskraft". Diese fundamentale Widerstandskraft könne man nicht abtun. 

(Reuters)